Veranstaltung: | 64. Mitgliederversammlung |
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Tagesordnungspunkt: | 10. Inhaltliche Anträge |
Eingereicht durch: | AStA Uni Hannover |
Status: | Eingereicht (Vertagt von 63. MV) |
Eingereicht: | 07.08.2020, 17:51 |
I-A3: Nein zur Feuerzanbowle in Unikinos - Nein zu Nazi-Filmen an Unis
Antragstext
Die MV des FZS fordert alle Mitgleiderstrukturen dazu auf, sich aktik
einzubringen damit der Film in den Unikinos nicht mehr gezeigt wird.
Nichts zu Lachen
Der Film die Feuerzangenbowle mit Heinz Rühmann gilt immer noch als „Kult“ und
gehört zu den beliebtesten Filmen der Deutschen. Die verschreckende Ent-
Historisierung des Streifens aus der Nazizeit, sollte nicht banalisiert sondern
als Wunsch einer Nachkriegsgeneration verstanden werden, welche sich ideologisch
nie vom NS befreite.
Auch heute noch ist der Film die Feuerzangenbowle eine der beliebtesten Komödien
in der Weihnachtszeit, aber auch unabhängig von dieser. Beim gemütlichen Konsum
des gleichnamigen Getränks lacht man gemeinsam,[um die kollektive Schuld
vergessen zu können]. Dass es sich bei der Filmproduktion aus der Zeit des
Nationalsozialismus nicht um einen reinen Unterhaltungsfilm handelt, der
unabhängig von seinem geschichtlichen Kontext betrachtet werden kann, sollte
eigentlich längst klar sein. Dem ist aber nicht so, wie beispielsweise die
jährliche, mehrfache Aufführung des Propagandastücks im hiesigen Uni-Kino zeigt.
Der Film wurde im Jahr 1943 produziert und lief 1944 in den Kinos an. Er ist
somit ein Produkt des totalen Krieges. Als solcher muss er auch verstanden
werden, diente er doch offensichtlich der Aufrechterhaltung der Moral und dem
fortgesetzten Glauben an einen vermeintlichen „Endsieg“ der Deutschen, welcher
nach der Niederlage in Stalingrad stark geschwächt war. Der Krieg konnte solange
weiter gehen, wie die hegemoniale (ideologische?) Basis innerhalb Deutschlands
bestand. Eben hier zeigt sich der propagandistische Wert des Unterhaltungskinos,
als Schmiermittel zur Ideologieverbreitung oder ihrem Erhalt. Im Kinosaal konnte
das Glücksversprechen des autoritär-faschistischen Naziregimes aufrecht gehalten
werden. Hier hin flieht die deutsche Volksgemeinschaft und lernte, über ihre
Lage zu Lachen, den Krieg zu vergessen und die Barberei auszublenden, während
draußen die Bomben fielen und die Befreiung der Jüdinnen*Juden, Unterdrückten
und Kriegsgefangenen ankündigten. Das „deutsche Volk“ wollte dieses Geräusch nur
ungern hören. Also drehte man die Lautstärke im Kinosaal auf, um die eigene
Misslage vergessen zu können und die Schuld beiseite zu legen. An dieser Stelle
zeigt sich ebenfalls der allgemeine Charakter des Unterhaltungsfilms als Mittel
der Systemstabilisierung: Er ist die letzte Bastion einer Welt die das
bürgerliche Versprechen nach individuellem Glück aller aufrecht erhält obwohl
die Realität doch schon längst das Gegenteil beweist. Der Film zur Unterhaltung
ist nie frei von Ideologie, sondern essenzieller Bestandteil ebendieser. Gerade,
weil er sich unpolitisch gibt, ist er so gefährlich, denn er ist immer ein
Spiegel des aktuellen Zeitgeschehens. Demnach muss er stets als Kind seiner Zeit
begriffen und kann "Die Feuerzangenbowle" also nicht unabhängig vom
Nazifaschismus gedacht werden. Nicht zuletzt die Vernarrtheit in Produktion aus
dem Hause Disney seitens Hitler und Goebbels oder auch, dass die Zahl der
Kinobesuche im Jahr 1944 mit über einer Milliarde ZuschauerInnen ihren Höhepunkt
in Deutschland erreichte sollte, ein Zeugnis davon abliefern.
Nach dieser kurzen Kritik des Unterhaltungsfilm als Propaganda- und
Verblendungsinstrument nur ein paar kurze Worte zur wahrnehmbaren
Ideologieproduktion innerhalb des Films, welche an anderen Stellen bereits
intensiver bearbeitet wurde. Als signifikant zu nennen ist die Erklärung der
Völkerwanderung innerhalb des Schulunterrichts, welche sich klar aus der
Rassenideologie des NS konstatiert, ein verachtendes Frauenbild, die
Verballhornung des „Nazilehrers“, während Dr. Brett als vermeintlich guter neuer
Führer, welcher vom Klassenverband (Volk) akzeptiert/gewählt wird, die
notwendige Identifizierbarkeit mit einem autoritären Charakter darstellt und
nicht zu Letzt die Annahme des Films „das junge Bäume“ angebunden werden müssten
um nicht in alle Richtung auszuwachsen, sinnbildlich die homogene
Gleichschaltung heranwachsender Individuen durch Disziplin und Unterwerfung.
[1].
Als nun der Film zuerst ein Verbot auferlegt bekommen sollte, da er die
Autorität des Lehrkörpers an Schulen untergraben würde, entschied sich Rühmann
kurzer Hand, selbst quer durch Deutschland zu reisen, um Hitler persönlich
aufzusuchen, der sich zu der Zeit in seinem Führerbunker ("Wolfsschanze") in
Ostpreußen befand. Dort empfing er die persönliche Bestätigung des "Führers",
was unter anderem mit der Begeisterung des Propagandaministers Goebbels
zusammenhing. Dieser schrieb in sein Tagebuch „der neue Rühmann-Film die
Feuerzangenbowle soll unbedingt aufgeführt werden.“ Drei Tage später stand die
Premiere im Berlin.
Auch die Rolle Rühmanns selbst wird oft und gerne Idealisiert: er wäre kein
Nazi, habe sich der Gleichschaltung fügen müssen und sogar die Drehzeit des
Films hinausgezögert, um andere Schauspieler länger vor der Front zu bewahren.
Dabei ist auch diesem Mythos eindeutig zu widersprechen. Rühmann erwarb durch
seine persönliche Stellung die Befreiung vom Wehrdienst, holte sich während der
Kriegszeit noch eine persönliche Flugerlaubnis um seinem Lieblingshobby
nachzugehen, was niemals unabhängig von seinem Status innerhalb des NS-Regimes
zu denken gewesen wäre und verlängerte die Drehzeit des Films keineswegs. Im
Gegenteil, er brachte sie rasch zuende, um direkt im Anschluss an einer weiteren
Produktion mitzuwirken.
Als wären diese historischen Belege nicht schon längst Grund genug, dem Film
eine dezidierte Absage zu erteilen und ihn als Teil des Propagandaapparats
Nazideutschlands zu verstehen, kommt nun noch die Rezeptionsgeschichte von
Nachkriegszeit bis Gegenwart hinzu.
Der Mythos einer „guten alten Zeit“, der im Film wiederzufinden ist und der die
grausamen Verbrechen des NS-Faschismus vollkommen ausblendet, lässt sich auch
als Faktor des Schweigens in der Nachkriegszeit verstehen. Hier war die
Ideologie noch längst nicht ausgestorben und, ganz im Gegenteil zur Illusion
einer „wehrhaften Demokratie“ vor dessen Toren der Faschismus halt machen würde,
tief in den Individuen verankert. Die Aufrechterhaltung der Mär, im
Nationalsozialismus wäre "nicht alles schlecht gewesen“, findet durch den Film
eine kollektive Bestätigung im Bewusstsein des Landes der Täter. Des Weiteren
sollte bedacht werden, dass einige NS-Produktionen nachweisliche Spuren im Film
des 20. und 21. Jahrhunderts hinterlassen haben, wie beispielsweise die
Produktion „Triumph des Willens“ von Leni Riefenstahl, deren Ästhetik sich auch
in Großproduktionen wie Star Wars wiederfinden lässt. In dieser Hinsicht ist die
Rolle der Feuerzangenbowle nach wie vor ungeklärt.
Zum Ende noch der Blick in die Gegenwart. Hierbei erweist sich als äußerst
interessant, bei wem die heutigen Filmrechte liegen. Diese besitzt eine gewisse
Cornelia Meyer zur Heyde, die selber zu ihrer Studizeit im Unikino Göttingen
aktiv war. Heute sitzt sie Im Vorstand der AfD in Münster und vergibt die
Filmrechte nach eigener Aussage gerne an „namenhafte Universitäten,
Studentenverbindungen oder auch auf Weihnachtsmärkte“. Wenn aber eine
Institution den Film in einer Veranstaltungsreihe zum Nationalsozialismus
kritisch einbetten möchte und sei es das Deutsche Historische Museum in Berlin,
verweigert sie die Genehmigung der Vorführung . Hier sollte die klare
Verbandelung der Ideologie von AfD und Co. mit dem Mythos einer „guten alten
Zeit“ oder dem NS als Vorstellung eines „Vogelschisses“ gesehen werden. Das
Zeigen des Films unterstüzt die faschistische Partei und möglicherweise
Strukturen um sie herum also finanziell, vor allem aber ideell. Die Inszenierung
bzw. Darstellung der Feuerzangenbowle deckt sich ebenfalls mit der Maskerade
vieler Studentenverbindungen: nach außen ein vermeintliche liberales Weltbild
konstituieren, im Kern allerdings – bewusst oder unbewusst – patriarchale
Strukturen reproduzieren, konservativ-reaktionäres Gedankengut vermitteln und
sich einer Aufarbeitung der eigenen Funktion innerhalb historischer Verbrechen
verweigern. Hinzu könnte sich die Frage gestellt werden, inwiefern genau dieser
Film zu Falschannahmen und Wertvorstellungen, wie sie Cornelia heute teilt,
geführt hat und welche Rolle das hiesige Unikino dabei trägt.
Es bleibt also festzuhalten: Die Feuerzangenbowle ist keineswegs frei von
Ideologie und trägt durch den Deckmantel des schlichten „Unterhalten wollens“,
zur Verharmlosung der Naziherrschaft bei. Das unkommentierte Zeigen des Films
erlaubt eine positive Besetzung des Propagandapparats des deutschen Faschismus.
Das Zeigen des Films überhaupt unterstützt heutige rechtsextreme Strukturen
finanziell und inhaltlich.
Es scheint so, als wäre das Unikino der Leibniz Universität dazu bereit, einen
der letzten Wünsche Goebbels in Erfüllung zu bringen: „“.
Oder um es mit dem sowjetischen Filmemacher und Sozialisten Andrej Tarkowski zu
sagen: der Glaube an das unpolitische Unterhaltungskino allgemein und an Die
Feuerzangenbowle im Spezifischen, führen dazu, dass „wir nur Schauen aber nicht
sehen“.
[1]: Lesetipp Karsten Witte: Lachende Erben, Toller Tag Filmkomödie im Dritten
Reich oder Oliver Ohmann „Heinz Rühmann und ,Die Feuerzangenbowle‘
Begründung
-
Änderungsanträge
- Ä1 (AStA Uni Duisburg-Essen, Eingereicht)
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