Veranstaltung: | 64. Mitgliederversammlung |
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Tagesordnungspunkt: | 7.1. Vorstand |
Eingereicht durch: | Jonathan Dreusch |
Status: | Angenommen |
Eingereicht: | 31.07.2020, 19:10 |
K-V-JD: Vorstand
Name
Bewerbungstext
Liebe Mitglieder, liebe Aktive, liebe Interessierte,
mein Name ist Jonathan, ich bin 24 Jahre alt und beende gerade meinen Bachelor in Politikwissenschaft und Geschichtswissenschaft an der Uni Tübingen. Ich bin seit dem Beginn meines Studiums 2015 hochschulpolitisch aktiv, erst über meine Fachschaft, in der ich auch immer noch aktiv bin, als auch in der zentralen Studierendenvertretung. Seit zwei Jahren bin ich Ko-Vorsitzender der Studierendenschaft (aka AStA Vorsitzender, aber Tübingen hat keinen AStA). Für Tübingen bin ich auch mehrfach Delegierter auf fzs Mitgliederversammlungen und im 61. und 62. AS gewesen. Seit Herbst 2019 bin ich außerdem Mitglied im Ausschuss Politische Bildung. Ich bin überzeugt davon, dass eine starke bundesweite Studierendenvertretung, die nicht an irgendeine Partei gebunden ist, absolut notwendig ist. Dabei darf sich dieser Verband nicht darauf beschränken „Hochschulpolitik“ zu machen, denn Hochschulen existieren nicht in einem Vakuum.
Nach fünf Jahren Erfahrung in Studierendenvertretung und bald zwei Jahren im fzs möchte ich mich deshalb auf den Vorstand bewerben.
Was ich so in der HoPo mache:
Mir ist nach wie vor die Basisarbeit in meiner Fachschaft sehr wichtig. Student*innen müssen sich in jedem einzelnen Fach Gehör verschaffen und bei jeder*m einzelnen Professor*in.
Durch das basisdemokratische System Tübingens habe ich von Anfang an uni- und landesweite Hochschulpolitik mitgemacht, so richtig engagiert habe ich mich über mein Fach hinaus erst, als 2016/17 in Baden-Württemberg Studiengebühren für Nicht-EU Bürger*innen und Zweitstudierende eingeführt werden sollten. Damals haben sich alle Erwartungen, die wir vor der Einführung hatten, bestätigt: einzelne Student*innen leiden unter der massiven finanziellen Belastung, die Hochschulen haben einen immensen Zusatzaufwand, der finanzielle Nutzen ist nicht der Rede wert und die Zahl der Internationalen Student*innen ist gesunken. Ich möchte mich auch weiterhin gegen jede Art von Studiengebühren engagieren, insbesondere die inakzeptablen und diskriminierenden Studiengebühren für Nicht-EU Ausländer*innen.
Studiengebühren sind ein Baustein von vielen, die zu massiver Bildungsungerechtigkeit führen. Mit der Einführung eines Notlagenstipendiums haben wir in Tübingen gerade einen kleinen Beitrag geleistet, um Ungerechtigkeit auszugleichen, letztendlich ist das aber ein Tropfen auf den heißen Stein. Freier Zugang zu Bildung ist deshalb eines meiner Hauptanliegen. Dazu gehört nicht nur die Finanzierung zu verbessern, die natürlich ein bedingungsloses BaföG als Vollzuschuss sein muss, oder Wohnraumpolitik, sondern auch, Hürden an den Hochschulen selbst abzubauen. Um zu verstehen, wie eine Hochschule und ein Studium funktioniert und dort Erfolg zu haben, darf es keine Rolle spielen, ob jemand aus einer Nicht-Akademiker*innenfamilie kommt oder einen sog. „Migrationshintergrund“ hat.
Bildungsgerechtigkeit hört auch nicht an den Hochschultüren auf. Ich sehe es als unvermeidlich an, alle Formen von Bildung, insbesondere andere berufsqualifizierende Bildung mitzudenken. Wer gutes BaföG für Student*innen fordert, muss auch angemessene Löhne in Ausbildungsbetrieben fordern, muss kostenfreie Meister*innenausbildung fordern und generell gegen die Abwertung von nicht-akademischen Berufen und Ausbildungen kämpfen. Und wir müssen noch weiter gehen. Wer nur für gute Studienbedingungen arbeitet, aber ausbeuterische Arbeitsverhältnisse ignoriert, muss sich gar nicht erst die Mühe machen. Das System der Hochschulbildung ist ein Teil des kapitalistischen Gesellschaftssystems und trägt durch seinen Elitismus zentral dazu bei, systematische Ungerechtigkeit aufrecht zu erhalten. Wir müssen uns dieser Rolle bewusst sein und nicht nur für Bildungsgerechtigkeit, sondern für soziale Gerechtigkeit kämpfen.
Ich setze mich für eine Umgestaltung des Hochschulsystems ein. Die Ordinarienuniversität wurde nie wirklich abgeschafft, immer noch sitzen auf Lebenszeit berufene Professor*innen quasi unantastbar auf ihren Lehrstühlen und können die ihnen zugeordneten Mitarbeiter*innen quasi nach Belieben herumkommandieren. Lehrstühle müssen abgeschafft werden und durch gemeinsam entscheidende Abteilungen ersetzt werden.
Die Demokratisierung der Hochschulen hört dabei aber nicht auf. In den letzten Jahren gab es vermehrt Tendenzen, die Hochschulleitung zu zentralisieren und Rektoraten bzw. Präsidien immer mehr Macht einzuräumen. Es wäre ein Fehler, darauf mit einer Verteidigung der Macht der einzelnen Professor*innen zu reagieren. Hochschulen müssen von allen Beteiligten gemeinsam gestaltet werden. Um das zu erreichen, müssen professorale Mehrheiten abgeschafft werden und Student*innen angemessen beteiligt werden. Student*innen müssen in allen Gremien die größte Gruppe darstellen. Wir dürfen nicht in die Falle treten, uns über ein bisschen Mitsprache zu freuen und damit zufrieden zu geben. Im Gegenteil – wir haben einen Anspruch und ein Recht darauf mitzubestimmen, an was für Hochschulen wir studieren und arbeiten.
In meinen Augen muss auch Studierendenvertretung demokratischer werden. Viel zu oft entscheiden kleine Zirkel von Vertreter*innen genauso intransparent und willkürlich, wie Hochschulleitungen. Oft ist das eine Kapitulation vor dem Desinteresse der meisten Student*innen. Das Ziel sollte aber sein, sich als Gruppe mit ähnlichen Interessen zu begreifen und gemeinsam zu handeln. Auch wenn die letzten fünf Jahre, in denen ich HoPo gemacht habe mich, wie viele, ein bisschen desillusioniert haben, möchte ich dieses Ziel nicht aufgeben. Nicht nur um der Beteiligung selbst Willen, sondern vor allem, weil unsere Stimme nur richtig Gehör findet, wenn wir glaubhaft machen, dass wir tatsächlich eine große Gruppe vertreten. Dafür müssen wir als Studierendenvertreter*innen politische Überzeugungsarbeit leisten und aktiv versuchen, unsere Kommiliton*innen zu politisieren.
Der Trend zur zentralisierten Hochschule, die demokratische Abläufe nur als Feigenblatt benutzt, steht im Zusammenhang mit der Ökonomisierung der Hochschulen und der Ausbreitung des Wettbewerbsdenkens in der Bildungs- und Wissenschaftspolitik. Die Auswirkungen davon sind noch breiter. Student*innen werden möglichst billig und möglichst schnell durch oft undurchdachte Studiengänge mit möglichst prestigeträchtigen Namen geschleust, junge Wissenschaftler*innen leben jahrelang in völliger Unsicherheit, ob sie eine Zukunft in der Wissenschaft haben und bei Bewerber*innen zählen eher die Zahl der Publikationen und die Höhe der eingeworbenen Fördermittel, als die Qualität ihrer Lehre oder die Stichhaltigkeit ihrer Forschung. In Tübingen habe ich mich deshalb zum Beispiel gegen den „Cyber Valley“ Forschungs-Wirtschaftsverbund eingesetzt und für eine ausreichende Hochschulfinanzierung gestritten.
Was ich im fzs Vorstand will:
Alle Themen, die ich oben vorgestellt habe, möchte ich natürlich auch im Vorstand thematisieren. Mir ist wichtig, dabei so viele Studierendenvertretungen und letztlich Student*innen wie möglich mitzunehmen, weshalb ich mich auch für einen Mitgliederzuwachs einsetzen will, ohne dabei die progressiven Positionen des Verbands zu verwässern. Die gute Arbeit, die viele Verbandsaktive in den letzten Jahren gemacht haben, müssen wir zusammen fortsetzen, nicht nur bei den „klassischen“ hochschulpolitischen Themen, sondern auch unsere Arbeit gegen Antisemitismus und Antiziganismus, für Geschlechtergerechtigkeit und Feminismus und die internationale Zusammenarbeit (als Beispiele).Den Vorstand sehe ich dabei in der Rolle, diese Arbeit zu begleiten und zu unterstützen, aber auch selbst Initiative zu ergreifen, vor allem, wenn wir über den Verband hinaus arbeiten.
Persönlich liegen mir folgende Themen am Herzen:
Ich bin seit längerem bei Fridays for Future aktiv und es ist mir wichtig, für mehr Zusammenarbeit zwischen Studierendenverbänden und der Klimagerechtigkeitsbewegung zu sorgen. Hochschulen haben eine große Verantwortung, an Lösungen für die Klimakrise zu arbeiten und zwar in Lehre und Forschung.
Während der Reaktion meiner Universität auf die Corona-Pandemie ist mir klar geworden, dass viele Teile des Systems „Universität“ (und Hochschule im Weiteren) quasi „auf Pump“ funktionieren, ohne soliden Plan. Gebäude werden zu Grunde gewirtschaftet, Digitalisierung ist immer noch nur ein Schlagwort uns Lehrende haben oft überhaupt keine pädagogische Qualifikation abseits ihrer Erfahrung. Viele Dozent*innen waren völlig überfordert damit, wie ein anderes Seminarkonzept als „Gruppenvortrag, Diskussion“ aussehen könnte. Ich halte das für einen massiven Missstand. Die Befähigung zur Erwachsenenbildung erlangt man nicht durch das Verfassen einer wissenschaftlichen Arbeit. Ich möchte mich dafür einsetzen, dass Hochschullehrer*innen auch als solche ausgebildet werden. Dadurch darf nicht mehr Verschulung entstehen, sondern Student*innen ermöglicht werden, in ihrem eigenen Modus unter kompetenter Anleitung und Hilfe ein Fach zu erlernen.
Schließlich will ich mich für die psychische Gesundheit von Student*innen einsetzen. Psychische Krankheiten dürfen nicht länger stigmatisiert werden und eine bedarfsorientierte Versorgung mit Hilfsangeboten und Therapiemöglichkeiten ist längst überfällig. Student*innen sind stark von diesem Problem betroffen; dafür sind oft die Studienbedingungen selbst die Ursache. Wer erstmal in der Lage ist, Beratung zu benötigen, steht oft vor der Wahl monatelang zu warten oder viel Geld auszugeben, und kann dadurch letztlich gar keine Hilfe in Anspruch nehmen. Politik, Hochschulen und Studierendenwerke müssen dieses Problem nicht nur erkennen, sondern auch handeln, sowohl indem Ursachen beseitigt werden, als auch durch gute und unentgeltliche Hilfsangebote.
Ich finde es sehr wichtig, dass der Vorstand gut zusammenarbeitet und bin der festen Überzeugung gemeinsam mit Iris, Carla und Paul ein motiviertes und funktionierendes Team zu stellen, dass gemeinsam Probleme angeht, Vernetzung vorantreibt und auf Veränderungen in der Hochschullandschaft hinarbeitet. Ich freue mich über Fragen auf der MV oder auch im Voraus, ihr erreicht mich unter jonathan @blochuni.org.
Kurze Biographie
Jonathan Dreusch
Geboren am 17.05.1996
Ausbildung:
- 2017: Auslandsemester an der Universidad del Pais Vasco/Euskal Herriko Unibertsitatea Bilbao
- Seit 2015: B.A. Politikwissenschaft mit Nebenfach Geschichtswissenschaft an der Ernst-Bloch-Universität Tübingen
- 2014: Abitur, Markgrafen Gymnasium Karlsruhe
Hochschulpolitische Tätigkeit:
- Seit Oktober 2018: Vorsitzender der VS Tübingen
- 2016-2018: Mitlgied im Studierendenrat Tübingen
- Seit 2016: Mitarbeit in verschieden Arbeitskreisen der Studierendenvertretung (Umwelt, Finanzen, Soziales, Überregionale Studierendenbeziehungen, P&Ö, Politische Bildung etc.)
- Seit 2015: Aktives Mitglied der Fachschaft Politk Tübingen
Sonstige Ehrenamtliche Tätigkeit:
- Seit 2018: Fridays for Future OG Tübingen