I-A4NEU: Positionspapier: Hochschulfinanzierung
Veranstaltung: | 66. Mitgliederversammlung, digital |
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Tagesordnungspunkt: | 10. Inhaltliche Anträge |
Eingereicht durch: | Vorstand |
Status: | Eingereicht |
Eingereicht: | 05.02.2021, 10:07 |
Veranstaltung: | 66. Mitgliederversammlung, digital |
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Tagesordnungspunkt: | 10. Inhaltliche Anträge |
Eingereicht durch: | Vorstand |
Status: | Eingereicht |
Eingereicht: | 05.02.2021, 10:07 |
Die Krise fördert zu Tage, was seit Jahren bekannt ist: Hochschulen in
Deutschland sind so chronisch unterfinanziert, dass viele Bereiche nur auf
Sparflamme betrieben werden können. Mit dieser umfassenden Positionierung
werden die Probleme im Bereich der Hochschulfinanzierung kurzbündig
identifiziert. Hierzu wird zum einen auf die unterschiedlichen Quellen der
Hochschulfinanzierung eingegangen (Grundfinanzierung, Programm- und Drittmittel,
Exzellenzinitiative, Zukunftsvertrag Studium und Lehre, Studiengebühren). Aber
auch auf rechtliche Rahmenbedingungen wie dem Kooperationsverbot zwischen Bund
und Ländern oder der Kapazitätsgrundverordnung. Außerdem widmen wir uns den
Themen des Hochschulbaus, der Digitalisierung, der Antidiskriminierungsarbeit
und der Nachhaltigkeit gesondert. Davon ausgehend werden Forderungen an die
Politik formuliert.
Die Krise fördert zu Tage, was seit Jahren bekannt ist: Hochschulen in
Deutschland sind so chronisch unterfinanziert, dass viele Bereiche nur auf
Sparflamme betrieben werden können. Im Zuge der Wandlung öffentlich-
rechtlicher Institutionen unter dem neoliberalen Paradigma des New Public
Managements wurde und wird die Bildungslandschaft immer mehr in Richtung
unternehmerischer (Hoch-)Schulen getrieben. Diese Entwicklungen sind
besorgniserregend. Denn Bund und Länder entziehen sich immer mehr ihren
Verpflichtungen die grundgesetzlich verankerten Rechte auf Bildung sowie die
Freiheit von Lehre und Forschung abzusichern. Auf dem Spiel stehen hierbei
Grundsätze des freien Zugangs zu Bildung, die Unabhängigkeit von Lehre und
Forschung und gute Arbeitsbedingungen im Lehr- und Wissenschaftsbetrieb - kurz
um: das öffentliche Gut "Bildung" wird immer weiter staatlicherseits
untergraben.
Grundfinanzierung
Bei Betrachtung der Entwicklung der Hochschulfinanzierung in Deutschland zeigt
sich, dass in den vergangenen 20 Jahren eine wachsende Schere willentlich in
Kauf genommen wurde. Während einerseits so viele Menschen in Deutschland
Studieren wie noch nie zuvor, sind die als Grundfinanzierung bereit gestellten
Mittel der Länder für die Hochschulen geschrumpft. Diese Diskrepranz wird
davon begleitet, dass durch wachsende Anforderungen an die Hochschulen (z.B.
Internationalisierung, Digitalisierung, Gesellschaftstransfer, wachsende
Studienanfänger*innenzahlen) zwar viel von Bund und Ländern eingefordert wird,
aber eine bedarfsorientierte Finanzierung der Hochschulen abgelehnt wird. Dass
eine solche Rechnung auf Dauer nicht aufgehen kann, ist logisch.
Rolle von Programmen
In den vergangenen Jahren ist zunehmend zu beobachten, dass
Wissenschaftsministerien der Länder immer öfter kurzzeitige zweckgebundene
Programme bereitstellen. Hochschulen bewerben sich in Konkurrenz auf jene
Mittel, wobei große Universitäten in der Regel eher Personal für die
Antragsausarbeitung bereitstellen können, als kleine Hochschulen. Doch nicht
nur sind solche Programme aufgrund dessen problematisch, dass sie einen
Wettbewerb von Hochschulen forcieren und kleine Hochschulen benachteiligen. Noch
viel schlimmer ist, dass Programmmittel keine verstetigten Mittel im Sinne einer
Grundfinanzierung darstellen - Hochschulen können also mit ihnen nicht rechnen.
Die Grundidee politische Impulse im Lehr- und Wissenschaftsbetrieb setzen zu
können, ist an sich nicht schlecht. Doch aufgrund der chronischen
Unterfinanzierung der Hochschulen führen die Programme eher dazu, dass
Hochschulen kurzweilig Gelder für irgendwelche Impulsprojekte abrufen, obwohl
die Gelder an anderer Stelle viel sinnvoller und notwendiger angelegt wären.
Für die Politik bedeuten Programme natürlich, dass immer wieder auf
Leuchtturmprojekte in der eigenen Öffentlichkeitsarbeit hingewiesen werden
kann. Für die Hochschulen bedeutet eine Verschiebung von Grundmitteln hin zu
Programmmitteln jedoch ein unkalkulierbares Finanzloch.
Drittmittelherkunft
Hochschulen werden gezwungen immer mehr wie Unternehmen zu agieren, da ihnen die
Gelder fehlen. Die Konsequenz ist eine zunehmende Abhängigkeit von Geldern aus
der Privatwirtschaft und anderen Geldgeber*innen. Große renommierte
Universitäten sind dabei im Vorteil - denn wer investiert sein Geld heutzutage
schon freiwillig in die Lehre der kleinen Fachhochschulen, wenn durch die
Finanzierung von großen Universitäten Forschung ermöglicht werden kann, die
im Interesse der eigenen Güterproduktion steht? Auftragsforschung steht oft der
Idee freier Forschung entgegen. Denn wer abhängig von solchen Aufträgen ist,
wird tunlichst vermeiden zu kritisch zu werden. In Tübingen finanziert
beispielsweise Amazon ein "Cyber Valley" zur Erforschung künstlicher
Intelligenz und das US-amerikanische Pentagon sowie ähnliche Steakholder
finanzieren immer wieder Forschung, welche sie für kriegerische Konflikte
nutzbar gemacht werden kann.
Drittmittel sind genauso wie Programmmittel nicht grundsätzlich ein Problem.
Problematisch ist jedoch, wenn einerseits Hochschulen von solchen Mitteln
abhängig werden, da hierdurch der Grundpfeiler freier Forschung und Lehre
angegriffen wird. Andererseits ist ebenso problematisch, dass die Herkunft von
Drittmitteln oft fragwürdig ist und von Hochschulen daher gerne verschleiert
wird. Ziel einer modernen sozialen Gesellschaft muss es jedoch sein, dass die
Forschung und Lehre staatlicher Hochschulen immer zivilen Zwecken und somit der
Allgemeinheit dienen.
Exzellenzinitiative
Die Exzellenzinitiative reiht sich als Drittmittelprojekt nahtlos in die
neoliberale Logik des Wettbewerbs um die besten Plätze ein. Hierbei geht es um
viel Geld, welches durch das Bundesprogramm zur Verfügung steht. Große
Universitäten und Hochschulen sind dabei klar im Vorteil. Denn wie auch bei
Programm- und Drittmitteln können diese eher Personal abstellen, welches einzig
für die Ausarbeitung umfangreicher Bewerbungen zuständig ist, als kleine
Hochschulen. Zudem ist das Ziel der Exzellenzinitiative ähnlich wie in den USA
oder United Kingdom leuchtturmähnliche renommierte Forschungsuniversitäten zu
fördern, um im internationalen Wettbewerb zu brillieren. So ist es inzwischen
die Regel, dass Hochschulen Gelder lieber für die umfangreiche
Antragsbearbeitung der Exzellenz nutzen und teils zweckentfremden, als dass sie
die Gelder dort anlegen, wo sie dringend benötigt werden: in der Lehre und bei
der Einrichtung von Dauerstellen für Daueraufgaben. Daneben ist höchst
problematisch, dass manche Hochschulen und Bundesländer stärker gefördert
werden, als andere, da dies eine ungleiche Wertigkeit von Bildungsabschlüssen
in Deutschland sowie eine Schieflage hinsichtlich der Finanzierung von
unterschiedlichen Hochschulen bewirkt. So werden Hochschulen aus Süd-West-
Deutschland deutlich öfter gefördert und hierbei wiederum insbesondere die
Universitäten.
Kooperationsverbot
Durch das Kooperationsverbot sollte einst als Lehre aus der deutschen Geschichte
verhindert werden, dass die Gleichschaltung der deutschen Bundesländer jemals
wieder so einfach umsetzbar sein würde. Doch inzwischen zeigt sich, dass das
Kooperationsverbot in der heutigen Form zu massiven Problemen in der Bildung
führen. Der Bund zieht sich aus der Finanzierung der Lehre an Hochschulen so
weit er kann raus und verweist hierbei auf die Hoheit der Länder. Die Länder
wiederum lassen seit Jahren die bereitgestellten Mittel aus ihren Haushalten
für die Hochschulen schrumpfen. Dort wo Bund und Länder kooperieren, werden
die bereitgestellten Bundesmittel an Exzellenz-Kriterien geknüpft, sodass
große renommierte Universitäten bevorteilt sind. In den Bundesländern wird
zudem ähnlich agiert. Und in Zeiten der Krise hat sich gezeigt: je nach
Landesregierung sind die Bedingungen unter denen Studierende lernen und
Angestellte arbeiten stark variierend. Mit der Idee gleicher und guter Lehr-
sowie Arbeitsbedingungen hat dies nichts gemein. Zwar gibt es mit der
"Kultusministerkonferenz" (KMK) Gemeinsamen Wissenschaftskonferenz (GWK) den
ständigen Versuch von Bund und Ländern auf freiwilliger Basis zu kooperieren.
Dennoch hat dies nicht dazu geführt, gemeinsam Hochschulbildung zu gestalten -
jedes Bundesland kocht weiterhin sein eigenes chronisch unterfinanziertes
Süppchen und der Bund gibt sich damit zufrieden nur zuzusehen. Dabei liegt in
der gemeinsamen Bildungsgestaltung ein ungeahntes Potential.
Hochschulpakt Lehre (HSP) und Zukunftsvertrag Studium und Lehre (ZVL)
Mit dem Hochschulpaktlehre wurden, nachdem viele Bundesländer durch den
Umschwung auf G8 mit Doppeljahrgängen konfrontiert waren, zusätzliche Gelder
den Hochschulen zur Abfederung bereitgestellt. Die Annahme war hierbei stets,
dass die Studienanfänger*innenzahlen mit der Zeit wieder auf den Stand von vor
G8 zurückgehen würden. Das taten sie aber nicht. Durch die zeitliche
Befristung der Gelder agierten die Hochschulen jedoch anders als Gedacht. Es
wurde nicht flächendeckend neues und entfristetes Personal eingestellt, da eine
Anschlussfinanzierung nicht in Aussicht stand. Auch wurden die Mittel in der
Regel dazu genutzt, die durch die Unterfinanzierung verursachten Löcher zu
stopfen. Das ursprüngliche Ziel der Erhöhung der Angestellten in Relation zu
den steigenden Studierendenzahlen wurde nicht einmal ansatzweise erreicht, wie
der Bundesrechnungshof in seiner Begutachtung 2020 rügt. Inzwischen wurde mit
dem ZVL ein Anschlussvertrag beschlossen. Doch auch hier bleibt bestehen, dass
die Gelder weder ausreichen noch unbefristet sind. Gute Lehre braucht gute
Betreuungsrelationen. Diese sind nur erreichbar, wenn Daueraufgaben mit
Dauerstellen besetzt werden, was wiederum entfristete Finanzmittel voraussetzt.
Daneben wurde im ZVL die Zweckbindung der Mittel für die Lehre aufgehoben. Dies
war beim HSP noch gegeben. Zwar beharrt die Bundesregierung darauf, dass dies
unproblematisch sei, weil die Mittel ja sowieso für die Lehre zweckbestimmt
seien. Doch die Bundesländer kontrollieren den Einsatz der Mittel kaum. Immer
wieder verlautbaren Hochschulleitungen, die Gelder nun soweit möglich
zweckentfremden zu wollen - insbesondere, um bessere Chancen bei der
Exzellenzinitiative zu haben, welche bei erlangtem Zuschlag hohe Geldressourcen
für die Forschung bedeutet. Freilich sind Forschung und Lehre nicht gänzlich
getrennt, sodass eine Person, die für die Forschung angestellt wird, durchaus
gleichzeitig für die Lehre zuständig sein kann. Dennoch weisen Aspekte wie,
dass die Angestelltenzahlen der Hochschulen seit Beginn des HSP nicht gestiegen
sind, in Hochschulen immer wieder Zweckentfremdungen offen eingestanden werden,
sowie der Fakt, dass die Gelder so intransparent fließen, dass in keinster
Weise nachvollziehbar ist, wo sie genutzt werden, darauf hin, dass die Bund-
Länder-Programm keine Lösung für die mangelnde Grundfinanzierung der
Hochschulen darstellen.
Exkurs: Kapazitätsverordnung
Als das Bundesverfassungsgericht 1972 urteilte, dass Hochschulen nicht
selbständig den freien Zugang zur Hochschulbildung durch willkürliche Numerus
Clausus ohne eine gesetzliche Grundlage beschließen dürfen, ahnte es
vermutlich nicht, was die Bundesländer daraus machen würden. Denn so richtig
das Urteil für das Grundrecht auf Bildung ist, desto fragwürdiger ist die
Handhabung der Länder. So erließen jene sogenannte Kapazitätsverordnungen
(KapVo). In der KapVo wird geregelt, wie die hoch die Aufnahmekapazität der
Hochschulen ausfällt. Darauf basierend ist begrenzt, wie viele Stellen eine
Hochschule für die Bereitstellung der Lehre einrichten kann, da dies an die
gesetzlichen Angaben der Lehrdeputate geknüpft ist. Die Folge: selbst wenn die
Hochschulen solide grundfinanziert wären, werden sie in der Stelleneinrichtung
und Lehrdeputatsverteilung durch die KapVos beschränkt. Diese wurden im Zuge
der steigenden Studienanfänger*innenzahlen natürlich nicht annähernd
ausreichend angehoben, da dies zur Folge gehabt hätte, dass die Länder
entsprechend auch mehr Mittel in der Grundfinanzierung hätten bereitzustellen
haben. So ist auch aus dieser Perspektive nicht verwunderlich, dass die HSP und
ZVL Mittel keinerlei Auswirkungen auf Betreuungsrelationen hatten. Insgesamt
sind aber Kapazitätsverordnungen an sich nicht das Problem, sondern, dass die
Länder diese auf einem schier unrealistischen Stand belassen, anstatt eine
bedarfsgerechte Anpassung vorzunehmen.
Als das Bundesverfassungsgericht 1972 urteilte, dass Hochschulen nicht selbständig den freien Zugang zur Hochschulbildung durch willkürliche Numerus Clausus ohne eine gesetzliche Grundlage beschließen dürfen, ahnte es vermutlich nicht, was die Bundesländer daraus machen würden. Denn so richtig das Urteil für das Grundrecht auf Bildung ist, desto fragwürdiger ist die Handhabung der Länder. So erließen jene sogenannte Kapazitätsverordnungen (KapVo). In der KapVo wird geregelt, wie die hoch die Aufnahmekapazität der Hochschulen ausfällt. Darauf basierend ist begrenzt, wie viele Stellen eine Hochschule für die Bereitstellung der Lehre einrichten kann, da dies an die gesetzlichen Angaben der Lehrdeputate geknüpft ist. Die Folge: selbst wenn die Hochschulen solide grundfinanziert wären, werden sie in der Stelleneinrichtung und Lehrdeputatsverteilung durch die KapVos beschränkt. Diese wurden im Zuge der steigenden Studienanfänger*innenzahlen natürlich nicht annähernd ausreichend angehoben, da dies zur Folge gehabt hätte, dass die Länder entsprechend auch mehr Mittel in der Grundfinanzierung hätten bereitzustellen haben. So ist auch aus dieser Perspektive nicht verwunderlich, dass die HSP und ZVL Mittel keinerlei Auswirkungen auf Betreuungsrelationen hatten. Insgesamt sind aber Kapazitätsverordnungen an sich nicht das Problem, sondern, dass die Länder diese auf einem schier unrealistischen Stand belassen, anstatt eine bedarfsgerechte Anpassung vorzunehmen.
Nachdem bereits vielerorts von den Hochschulen NCs eingeführt worden waren und mehrere Bewerber*innen auf Zulassung zum Medizinstudium geklagt hatten, fällte das Bundesverfassungsgericht 1972 mit seinem ‚Numerus Clausus-Urteil‘[1] eine weichenstellende Entscheidung hinsichtlich der Nutzung der Lehrkapazitäten der Hochschulen. Nachdem sich Hochschulen zuvor bei der Einführung von Zulassungsbeschränkungen schon an den vorhandenen personellen Kapazitäten orientiert hatten, entschied das Gericht, dass Zulassungsbeschränkungen (z. B. in Form von NCs) nur „unter erschöpfender Nutzung der vorhandenen, mit öffentlichen Mitteln geschaffenen Ausbildungskapazitäten“ (BVerfGE 1972) erlaubt sind, und begründete dies mit dem Teilhaberecht an den vom Staat gebotenen Bildungs- und Lebenschancen. Außerdem sollen die Universitäten dabei gleichmäßig ausgelastet werden. Da dadurch das Recht auf Zulassung zum Hochschulstudium (welches sich aus dem Recht auf freie Wahl des Berufes und der Ausbildungsstätte in Verbindung mit dem allgemeinen Gleichheitssatz und dem Sozialstaatsprinzip ergebe) eingeschränkt wird, könne dies nur durch Gesetz oder auf Grund eines Gesetzes geschehen. Mit einem noch im selbem Jahr geschlossenen Staatsvertrag regelten die 16 Länder nicht nur Zulassungsverfahren und -kriterien bundesweit einheitlich, sondern schufen die Rechts- und Berechnungsgrundlage dafür, dass alle Hochschulen ihre Lehrkapazitäten ausschöpfen und gleichmäßig belastet werden. Diese Regelungen hat jedes Bundesland in Form einer Kapazitätsverordnung (KapVO) in Landesrecht überführt.
Die Forderungen des BVerfG der erschöpfenden und gleichmäßigen Nutzung der Lehrkapazitäten, auf denen das Kapazitätsrecht aufbaut, führen also dazu, dass Studienbewerber*innen nicht willkürlich abgewiesen werden können und dass die Studienqualität an allen Hochschulen in etwa ähnlich gut ist (da aufgrund gleicher Berechnungsgrundlage ermittelt wird, wie viele Studienplätze sich aus den vorhandenen Lehrkapazitäten ergeben). Werden die Parameter der Kapazitätsberechnung aber tief genug runter geschraubt - wie die Bundesländer das getan haben, um nicht mehr Geld für die Hochschulen ausgeben zu müssen - kommt dabei auf der Kehrseite jedoch heraus, dass die Studienqualität überall gleich schlecht ist.
Hier besteht ein schwieriges Spannungsfeld: Würden z. B. die Lehrverpflichtungen der einzelnen Dozierenden gesenkt, dann könnten einzelne Lehrende bessere Lehrveranstaltungen geben, weil sie mehr Zeit für Vor- und Nachbereitung hätten. Würden aber nicht gleichzeitig auch die Hochschulen besser finanziert und mehr Personal eingestellt, dann würde dadurch die Anzahl zur Verfügung stehender Studienplätze sinken. Ziel darf es jedoch nicht sein, dass die Qualität auf Kosten von Studieninteressierten erhöht wird, die dann keinen Studienplatz mehr erhalten. Die Lösung kann also nur darin bestehen, dass die Hochschulen besser finanziert werden, um mehr Lehrpersonal beschäftigen zu können. Dadurch könnten sie zuerst alle Studienbewerber*innen aufnehmen und dann auch die Betreuungsrelationen tatsächlich verbessern.
Hochschulbau
Der Hochschulbau ist ein besonders kompliziertes Thema. Es könnte angenommen
werden, dass, wenn der Putz von der Decke bröckelt, PCB die Gesundheit von
Hochschulangehörigen gefährdet oder die Infrastruktur in Anbetracht
gestiegener Studierendenzahlen nicht mehr ausreichen, die Hochschulen
entsprechende Sanierungs- und Baumaßnahmen umsetzen. Doch dem ist so nicht.
Denn, damit an Hochschulen Sanierungs- und Baumaßnahmen vollzogen werden
können, muss eine Reihe von Akteuren tätig werden. Es ist nämlich nicht etwas
so, als würden die Hochschulen selbstständig sobald nötig Sanierungs- und
Baumaßnahmen umsetzen können. Nein, vielmehr müssen die Landesämter, welche
für Baumaßnahmen zuständig sind und den Finanzministerien untergeordnet sind,
die Genehmigung für solche Vorhaben erteilen. So mischen also
Finanzministerium, Bauämter, Wissenschaftsministerien und Hochschulen beim
Thema "Sanierung und Bau" mit. Jedes Vorhaben zieht dabei einen bürokratischen
Rattenschwanz mit sich, für den an den Hochschulen richtiger Weise keinerlei
Verständnis existiert. Dazu kommt, dass die Bauämter darüber entscheiden,
wann welche Vorhaben umzusetzen sind. Folglich werden Notwendige gerne mal in
ungewisse Zukunft verschoben und andere so plötzlich angeordnet, dass die
Hochschulen gar nicht wissen, wie sie das aus ihren einem schweizer Käse
gleichenden Finanzmitteln bezahlen sollen. Derweil regnet es in Gebäude hinein
und im großen Vorsitzungszahl haben 30 Studierende mal wieder keinen Sitzplatz
ergattern können, während die Bibliothek aus den 70er Jahren wegen PCB-
Belastung unzugänglich ist. Willkommen in der Finanz- und Bürokratiehölle
"Hochschulbau".
Digitalisierung
Die Digitalisierung an deutschen Hochschulen ist eng mit den Problemen im
Hochschulbau verknüpft. Bis zum Ausbruch der Corona-Pandemie wurde der Ausbau
digitaler Infrastruktur seitens der Hochschulen eher stiefmütterlich behandelt.
Dies liegt sicherlich auch daran, dass diese aufgrund der mangelnden
Finanzierung an ganz anderen Stellen erstmal Löcher zu flicken hatten und
haben. Doch wurde hierdurch die Digitalisierung verschlafen. Dass die Politik
mit ihrer hochschulgefährdenden Finanzpolitik dies zuließ, hat sich nun
gerächt. Abgesehen von wenigen technologisierten Technischen Universitäten,
nutzen die meisten Hochschulen eine IT-Infrastruktur die bestenfalls Mitte der
2000er Jahre gängig war. Hierbei fehlt einerseits oft das Verständnis dafür,
wie Technologie funktioniert - denn, anders als ein Buch oder Kreidetafeln ist
technologie blitzschnell veraltet und bedarf fast jährlicher Updates. Doch wo
nicht einmal die Voraussetzungen für die neuste Hard- und Software besteht, ist
daran nicht zu denken. Zwar ist es beispielsweise ganz nett, wenn überall
Eduroam-Router stehen. Fehlt jedoch der Glasfaser-Anschluss, ist es kein Wunder,
dass regelmäßig das WLAN-Netz zusammenbricht. Und solange Angestellte noch mit
PCs aus Windows 2000 Zeiten arbeiten, wird jeder Versuch der Digitalisierung von
Bürokratieprozessen unweigerlich scheitern. Von einer zumindest Teil-
Digitalisierung in der Lehre und Forschung kann demnach nicht einmal geträumt
werden, wenn die IT-Infrastruktur hierzu nicht bereit steht und das wenige
Personal im IT-Wesen durchgängig damit beschäftigt ist, Altes zum Laufen zu
bringen, anstatt Neues zu entwickeln. Dabei könnten Bund und Länder
insbesondere bei Themen der Digitalisierung Synergieeffekte nutzbar machen. Denn
IT ist nur begrenzt Standortgebunden und Software lässt sich unendlich
vervielfachen. Warum jede Hochschule ihre eigene Lernplattform entwickelt,
anstatt gemeinsam einmal eine für alle Hochschulen nutzbare gute Plattform zu
finanzieren, ist nur eine beispielhafte Form des ungenutzten Potenzials. Da
hilft übrigens auch nicht, dass jetzt ein paar mehr Menschen verstanden haben,
wie BigBlueButton funktioniert, wenn es sowohl an Infrastruktur, als auch an
digitalen Lehrkonzepten fehlt. Digitalisierung an Hochschulen? - Error 404 not
found.
Exkurs: Anti-Diskriminierungsarbeit an Hochschulen
Hochschulen sind gesellschaftlich eingebettet und daher genauso von
strukturellem Rassismus, Sexismus, Ableismus, Klassismus, Antisemitismus und
weiteren Formen der Diskriminierung betroffen. Dort, wo Landes-, Bundes- oder
gar Europarecht es vorschreibt, finanzieren die Hochschulen entsprechende
Stellen um bestimmten Diskriminierungsformen entgegenzuwirken (z.B. Beauftragte
für die Gleichstellung von Frauen und Gebährfähige sowie Beauftragte für
Menschen mit chronischen Erkrankungen/Be_hinderung). Dort diese Stellen werden
meist nur mit dem Mindestmaß an Vollzeitäquivalenten und Mittel ausgestattet,
die vorgeschrieben sind. Zu Diskriminierungsformen wie Rassismus oder
Antisemitismus sowie hinsichtlich Hilfen für Personen ohne akademischen
Background gibt es nur an vereinzelten Hochschulen Bemühungen. Auch gibt es
kaum unabhängige Antidiskriminierungsstellen, an die sich Studierende wie
Angestellte wenden können. Natürlich liegt dies auch daran, dass darauf
bezogene Probleme von den oberen Entscheidungsebenen meist nicht wahrgenommen
werden. Denn noch immer sind die meisten Rektorate/Präsidien und Professuren
mit weißen, männlichen Personen besetzt. Doch auch die mangelnde
Hochschulfinanzierung trägt eine Mitschuld an der Situation. Denn wenn die
Hochschulen nicht einmal finanzielle Mittel für ihre grundlegensten Aufgaben
haben, ist es klar, dass alles, was nicht verpflichtend ist, in der
Priorisierung der Umsetzung hinten überkippt.
Exkurs: Nachhaltigkeit
Das Ziel der ökologischen Nachhaltigkeit ist eine gesamtgesellschaftliche
Aufgabe. Entsprechend haben auch Hochschulen ihren Teil beizutragen. Doch der
inzwischen in allen Bundesländern vorhandene Sanierungs- und Baustau führt
dazu, dass dieses Ziel kaum erreichbar ist. Nur durch kontinuierliche
Sanierungen und gegebenenfalls Neubauten können Hochschulen ihre
Energieeffizienz steigern.
Daneben führen die gestiegenen Studierendenzahlen sowie die Digitalisierung
dazu, dass die Infrastruktur der Hochschulen ausgebaut wurde und wird. Damit
einher wächst natürlich auch der Energiebedarf. Je nach Bundesland und
Hochschultyp variiert jedoch, ob und inwiefern die Bundesländer den
Energiebedarf der Hochschulen decken. Dort, wo die Energiekosten nicht
automatisch vom Land übernommen werden oder nur pauschal gedeckt werden, reißt
der erhöhte Energiebedarf Finanzlöcher auf. Zudem hindert eine kostendeckende
Strompolitik Hochschulen daran, auf 100% Ökostrom umzusteigen.
Ebenfalls sind Bemühungen zum CO2- und Flächenausgleich für Hochschulen kaum
umzusetzen wenn diese aufgrund der chronischen Unterfinanzierung hierzu keine
Mittel übrig haben.
Studiengebühren
Die Hochschulen in Deutschland sind chronisch unterfinanziert. Schuld daran sind
primär die Bundesländer, die ihrer hoheitlichen Aufgabe der
Hochschulfinanzierung und -strukturierung nicht nachkommen. Durch das
Kooperationsverbot hat der Bund zudem kaum Möglichkeiten den Hochschulen direkt
Mittel zur Verfügung zu stellen. Doch anstatt die Länder hierzu öffentlich
anzuprangern, setzt seit einigen Jahren der gefährliche Trend ein, dass die
Wiedereinführung von Studiengebühren als das Heilmittel gesehen wird. Dabei
bedeuten Studiengebühren gleich jeder Art immer eine sozio-ökonomische
Selektion. Entsprechend setzten Studierende Ende der 2000er Jahre zu Recht
durch, dass die ungerechten Gebühren abgeschafft werden, damit der
Hochschulzugang nicht mehr vom eigenen Geldbeutel abhängt. Doch in Baden-
Württemberg führte jüngst eine Grüne Wissenschaftsministerin wieder
Gebühren für Zweitstudierende und Nicht-EU-Ausländer*innen ein. CDU und FDP
NRW nahmen von solchen Plänen nur deshalb abstand, weil sie sich in Baden-
Württemberg als Null-Summen-Spiel entpuppten. Im kleinen erhebt Hamburg nun
Gebühren für den Medizintest, eingeführt durch eine Rot-Grüne Koalition. Und
die CSU plant in Bayern die Einführung einer "umfassenden
Gebührenerhebungsmöglichkeit" für Hochschulen. Die Hochschulen jubeln, denn
dies bedeutet für sie Einnahmen. Dass sie dabei jedoch nach unten treten
anstatt die Bundesländer in die Pflicht zu nehmen, ist dem Ansinnen von
Diversität in der Bildungslandschaft und dem Prinzip freier Lehre unwürdig.
Und fast noch schlimmer sind nun die teils schon eingeführten, teils
anvisierten Gebühren durch Parteien, die vor wenigen Jahren noch großprotzig
verkündeten und sich damit brüsteten, dass mit der Abschaffung nun ein
Meilenstein in Sachen Bildungsgerechtigkeit erreicht worden sei. Parteien, die
teils in ihren Grundsatzprogrammen eben jenes Ideal der Bildungsgerechtigkeit
verankert haben. Parteien, die sich im Rahmen ihrer Regierungsfunktion der
Bundesländer vor ihrer hoheitlichen Verantwortung inSachen
Hochschulfinanzierung drücken und das hohe Gut freier Bildung aufs Spiel
setzen, um noch den letzten Cent aus Hochschulen und Studierenden zu drücken.
Die Finanzierung von Hochschulen in Deutschland gleicht einem Desaster
sondergleichen. Auf der einen Seite trachten Bund und Länder danach immer
renommierte Forschung und Lehre anzubieten - ganz im Sinne einer
Wissensgesellschaft. Auf der anderen Seite wird Bildung so nachrangig behandelt,
dass die Hochschulfinanzierung inzwischen einem schweizer Käse gleicht. So kann
und darf es nicht weiter gehen, wenn uns freie Bildung und Forschung sowie gute
Lehr- und Arbeitsbedingungen ein allgemeingesellschaftliches Anliegen sind.
Deshalb fordern wir:
[1] BVerfGE 33, 303. Abrufbar unter: https://www.servat.unibe.ch/dfr/bv033303.html
Ergibt sich aus der Positionierung.
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