Veranstaltung: | Mitgliederversammlung |
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Tagesordnungspunkt: | 10. .10.1 Wahlen: Vorstand |
Eingereicht durch: | Sebastian Zachrau (AStA Uni Bonn) |
Status: | Eingereicht |
Eingereicht: | 29.06.2019, 22:31 |
K-V-SZ: Sebastian Zachrau
Name
Bewerbungstext
Liebe Mitglieder, Liebe Verbandsaktive,
Die Rolle der Studierendenschaft in unserer Gesellschaft ist seit langem heftig umkämpft. Sind wir Konsumenten, die Wissensbausteine möglichst effizient in Kompetenzen umwandeln und dadurch unser Humankapital mehren sollen? Sind wir faule Nichtsnutze, die zu allem Überfluss mit ihrer radikalen Antifa-Politik die Gesellschaft schädigen? Oder sind wir gar die einsame Avantgarde, die die marxistisch-leninistisch-maoistische Weltanschauung in die Volksmassen hereintragen muss? Aus meiner Sicht trifft keine dieser Interpretationen zu. Vielmehr ist die Studierendenschaft eine inhomogene Masse, in der die verschiedensten Lebenskonzepte aufeinandertreffen und die im wesentlichen nur durch ihr gemeinsames Studium geeint wird.
Diese Erkenntnis sollte jedoch nicht als Plädoyer für eine Hochschulpolitik missverstanden werden, die sich nur auf Lerninhalte konzentriert. Denn dadurch, dass ein Studium einen Großteil unserer verfügbaren Arbeitszeit beansprucht, ergibt sich für alle diejenigen, die nicht schon ein großes Vermögen besitzen, eine prekäre Lebenssituation. Unterhaltszahlungen, ob sie von staatlicher oder familiärer Seite erfolgen, decken meist nur das Existenzminimum ab, wenn sie überhaupt erfolgen. Nebenjobs sind häufig schlecht bezahlt und beanspruchen Zeit, die wir eigentlich für Klausurvorbereitung oder dem Schreiben von Arbeiten benötigen. Für diejenigen, die sich noch um Angehörige kümmern müssen, seien es Eltern oder Kinder, oder wer auch immer, wird die Lage noch komplizierter. Und für diejenigen, die nicht den Weg aus einem Akademikerhaushalt über ein Gymnasium (und vielleicht noch einem Auslandsjahr) direkt ins Studium gehen konnten, stellen sich oftmals weitere Herausforderungen, die von offizieller Seite nur selten berücksichtigt werden.
Derzeit gibt es keine allgemeinen Studiengebühren und an den meisten Universitäten kann die Regelstudienzeit ohne drastische Sanktionen überschritten werden. Ein Bafög-finanziertes Studium führt jedoch nach wie vor dazu, dass viele von uns ihr Berufsleben verschuldet beginnen. Hier gilt es, den status quo so gut wie möglich zu verbessern, vor allem aber, jedwede Verschlechterung abzuwehren. Doch auch an der Universität selbst gilt es, studentische Interessen in angemessenem Maße hörbar zu machen. Selbst dort, wo die Studierendenschaft nominell eine gleichberechtigte Statusgruppe ist, werden vielfach Entscheidung über unsere Köpfe hinweg und gegen unsere Interessen durchgesetzt. Die aktuelle Organisation der Universität missachtet aber nicht nur systematisch studentische Interessen, sondern genauso die des akademischen Mittelbaus. Hier gilt es, Gemeinsamkeiten wie Differenzen auszuarbeiten um letztendlich ein solidarisches, wenn möglich sogar gemeinsames, Vorgehen zu ermöglichen. Dies wäre ein bedeutender Schritt hin zu einer tatsächlichen Demokratisierung der Universitäten.
Eines der zentralen Themen des Studentischen Dachverbandes sollte aus meiner Sicht die Frage sein, wie die Belange der Studierendenschaft stärker auf kommunaler Ebene durchgesetzt werden können. In vielen Universitätsstädten stellen diese eigentlich einen relevanten Anteil des Elektorats, was jedoch nicht überall angemessenen Niederschlag in Entscheidungsprozessen findet. Die mangelnde Kontinuität mag hier eine entscheidende Schwäche sein, die StudentInnen gegenüber anderen Interessengruppen benachteiligt. Ein weiterer Grund liegt sicherlich darin, dass politische Urteilsfähigkeit eher Personen zugesprochen wird, die Vollzeit arbeiten, eine bürgerliche Familie haben und eine Wohnung/Haus besitzen.
Zwischen denjenigen, die Wohnraum besitzen und denjenigen, die lediglich mieten, besteht ein Interessenkonflikt, der Auswirkungen auf die gesamte Kommunalpolitik hat: Während erstere von einem möglichst hohen Grundstückspreis profitieren, tragen zweitere hierfür die Kosten. Dies führt leider dazu, dass eigentlich begrüßenswerte Maßnahmen wie Sanierungsarbeiten, die Einrichtung öffentlicher Parks oder eine Verbesserung der Verkehrsanbindung gleichzeitig zur Verdrängung von Geringverdienenden führt. Höhere Mietpreise wirken sich nicht nur direkt aus, sondern führen auch indirekt zu höheren Lebenshaltungskosten, da Geschäfte die höhere Miete auf die Kunden umlegen müssen und dafür häufig ihr Zielpublikum ändern. Auch die Attraktivität eines Universitätsstandortes bleibt nicht folgenlos für den Wohnungsmarkt. Daher muss ein zentrales Anliegen der Studierendenschaft sein, die Sozialverträglichkeit von weiterem Universitätswachstum im Auge zu behalten.
Die Exzellenzinitiative ist hierbei ein hervorragendes Beispiel, wie bereits überteuerte und überentwickelte Universitäten mit Mitteln versorgt werden, die an anderer Stelle dringend benötigt werden. Denn auch wenn wir manchmal den Eindruck bekommen, dass nirgendwo günstiger Wohnraum verfügbar ist, so gilt dies selbstverständlich nur für die Städte, in denen wir alle wohnen wollen. Andernorts führt wirtschaftlicher Strukturwandel zu Geisterstädten, deren EinwohnerInnen sich zurecht von der Politik vernachlässigt fühlen. Die zunehmende Tendenz zur Metropolbildung ist untrennbar mit der Verwertung von Wohnraum verbunden. Um dieser Tendenz entgegenzuwirken, muss langfristig sämtlicher Wohnraum vergesellschaftet werden. Doch auch diesseits dieses utopischen Ziels kann eine Politik, die die Interessen von MieterInnen in den Vordergrund stellt, nachhaltige und sozial gerechte Entwicklung bewirken. Bis auf eine kleine Minderheit teilen die StudentInnen die Interessen der Geringverdienenden und könnten daher eine solidarische Politik auf kommunaler Ebene befördern. Denn, wie bereits erwähnt, lebt es sich zumeist nur prekär von Bafög oder Unterhaltszahlungen. Die besondere Lage der Studierendenschaft ist dabei geeignet, von einem Nachteil zu einem Vorteil gewendet zu werden: Wer weder vollständig lohnabhängig ist, noch sich um Angehörige kümmern muss, der*dem bleiben eher Kapazitäten für politisches Engagement, in Parteien, Vereinen, anderen politischen Gruppen und nicht zuletzt der studentischen Selbstverwaltung.
Kurze Biographie
Von Oktober 2015 bis Oktober 2017: Studium der Volkswirtschaft an der Rheinischen-Friedrich-Wilhelms-Universität Bonn
Seit Mai 2016: Teil der “Liste undogmatischer StudentInnen (LUST)” Bonn
Seit Juni 2016: Tätigkeit im Referat für Hochschulpolitik des AStA der Uni Bonn (zuständig für Außenvernetzung auf Bundesebene -> fzs)
Von August 2016 bis August 2017 und ab August 2018: Bonner Delegation für den Ausschuss der Student*innenschaften
Seit August 2017: Mitglied im Ausschuss frauen- und genderpolitik des fzs
Seit August 2017: Mitglied in der Senatskommission Studium und Lehre
Von Juli 2017 bis Juli 2018: Projektstelle Hochschulvernetzung im AStA
Seit Oktober 2017: Studium der Geschichte
Von Juli 2018 bis Januar 2019: Projektstelle Internationaler Austausch im AStA
Von Januar 2018 bis Januar 2019: Stellvertretendes Fakultätsratsmitglied
Seit August 2018: Mitglied im Ausschuss Finanzen des fzs
Außerdem bin ich “Gründungsmitglied” des Arbeitskreises (mittlerweile: Ausschuss) Politische Bildung des fzs und engagiere mich gegen Antisemitismus.
Im Rahmen meiner AStA-Tätigkeit habe ich mich außerdem an der Ausrichtung unserer FCLR- und GMG-Veranstaltungsreihen beteiligt, sowie an der Ausarbeitung der Haushaltspläne.