Veranstaltung: | 66. Mitgliederversammlung, digital |
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Tagesordnungspunkt: | 10. Inhaltliche Anträge |
Status: | Beschluss |
Beschluss durch: | Ausschuss Politische Bildung, Vorstand |
Basierend auf: | I-A5: Hochschulen als Orte politischer Bildung stärken |
Hochschulen als Orte politischer Bildung stärken
Beschlusstext
Hochschulen sollten Orte politischer Bildung sein. Diese Feststellung ist
wichtig, denn aktuell kommt diese Funktion vielerorts zu kurz. Der aktuelle 16.
Kinder- und Jugendbericht der Bundesregierung hat sich auf politische Bildung
fokussiert. Er zeigt große Defizite bei der Verankerung politischer und
demokratischer Bildung in den Curricula und im Hochschulalltag auf. Der fzs
stellt deshalb aus aktuellem Anlass fest, dass noch ein weiter Weg zu gehen ist,
wenn Hochschulen tatsächlich ein ernstzunehmender Ort politischer, gar
demokratischer Bildung sein sollen. Hochschulen sind ein Ort, der erst relativ
spät in der Jugend besucht wird. Wie politische Bildung dort stattfindet und
stattfinden könnte ist deshalb immer auch davon abhängig, welche Erfahrungen
Student*innen in den etwa 18-19 Jahren vor dem Studienbeginn machen konnten.
Gleichzeitig sind Hochschulen gerade wegen der Altersspanne der meisten
Student:innen zwischen Jugend und Erwachsenenalter extrem wichtig für die
politische Bildung. Es ist deshalb notwendig, diesen Fokus in der Hochschul- und
Bildungspolitik stärker zu verankern.
Verankerung Politischer Bildung in den Studieninhalten
Fachinhalte & politische Bildung:
Politische Bildung wird in vielen Studiengängen auf Zusatzqualifikationen/
überfachliche Punkte etc. ausgelagert. Dadurch verpasst man, das eigene Fach
hinreichend in den gesellschaftlichen Kontext einzuordnen. Ein Problem, das über
Studieninhalte hinausgeht: Bei vielen Hochschulangehörigen herrscht ein Geist
vor, der Hochschulen als vom Rest der Gesellschaft abgekapselte Orte begreift.
Durch die Verankerung politscher Bildung im Fach selbst kann dieses auch selbst
besser in seinem gesellschaftlichen Kontext eingebettet werden.
Überfachliche Studieninhalte ermöglichen:
Die Möglichkeit zur Wahrnehmung „überfachlicher“ Angebote im Rahmen des
Curriculums unterscheidet sich zwischen Studiengängen, Hochschulen und
Hochschularten massiv. An Hochschulen für angewandte Wissenschaft gibt es häufig
gar keinen frei wählbaren Studienteil. An Universitäten unterscheidet sich der
Umfang stark, teilweise sind die Wahlmöglichkeiten sehr eingeschränkt. Um allen
Student:innen politische Bildung zu ermöglichen, unabhängig ihrer Situation oder
ihres Fachs und ihres Studienstandorts, müssen in allen Studiengängen
überfachliche und allgemeinbildende Teile integriert sein. Das heißt,
Leistungspunkte für eine möglichst große Auswahl überfachlicher Veranstaltungen
erwerben zu können. Ist dies nicht der Fall, wird damit Student:innen, die unter
zusätzlicher (zeitlicher) Belastung stehen, weil sie einer Lohnarbeit, Pflege-
oder Betreuungsverpflichtungen oder anderen Aufgaben neben dem Studium nachgehen
müssen, der Zugang zu solchen Angeboten erschwert bis unmöglich gemacht.
Angebot überfachlicher Veranstaltungen verbreitern:
Überfachliche Angebote dürfen nicht nur auf Praxisbezug und „Karriere“-Coaching
ausgerichtet sein. Insbesondere solange Absolvent:innen gezwungen sind, auf
einem wettbewerbsbasierten Arbeitsmarkt miteinander zu konkurrieren, haben auch
solche Veranstaltungen keinen Platz im Angebot der Hochschulen. Darüber dürfen
Hochschulen aber auf keinen Fall ihre vorrangige Aufgabe vergessen: freie Lehre
und Forschung. Überfachliche Angebote müssen deshalb breit aufgestellt sein und
in Studiengänge integrierbar sein.
Studentische Selbstverwaltung stärken, für das
allgemeinpolitische Mandat!
Politische Bildung an Hochschulen ist ausdrücklich nicht auf die institutionelle
Lehre begrenzt. Auch Studierendenschaften sind für politische Bildung
verantwortlich. Sowohl Studierendenvertretungen als auch studentische Gruppen
und Initiativen leisten einen Großteil des außercurricularen Bildungsangebots an
Hochschulen. Als Teil der Zielgruppe wissen sie am besten, welche Angebote
nützlich sind, welche Veranstaltungen gefragt sind. Alle Landeshochschulgesetze,
außer das bayerische, geben den verfassten Studierendenschaften deshalb auch
explizit die Aufgabe, politische Bildung zu betreiben. Für den fzs ist schon
lange eindeutig, was auch der 16. Kinder- und Jugendbericht fordert: Es muss
überall eine selbstständige, verfasste Studierendenschaft mit einem
allgemeinpolitischen Mandat geben. Denn politische Bildung passiert nicht nur in
formalisierten, angeblich neutralen Räumen. Politische Bildung bedeutet
Politisierung. Neben einer soliden Informationsgrundlage und der Fähigkeit zur
kritischen Reflexion sind politische Veranstaltungen deshalb ein essenzieller
Bestandteil politischer Bildung, insbesondere an den Hochschulen.
Studierendenvertretungen müssen deshalb in der Lage sein, zu jedem Thema zu
sprechen, ohne Repressionen befürchten zu müssen.
Zur politischen Bildung gehören untrennbar Partizipationsmöglichkeiten und
Selbstbestimmung. Das Fehlen eines allgemeinpolitischen Mandats nimmt
Studierendenschaften viele dieser Möglichkeiten.
Der Streit um das Mandat öffnet jene willkürliche und realitätsferne Dichotomie
zwischen Hochschule und dem Rest der Gesellschaft, an der auch Lehre, Forschung
und Hochschulgremien so oft leiden. Studierende als gesellschaftliche Gruppe
existieren nicht nur innerhalb der Wände von Vorlesungssälen, ihre
Meinungsbildung als Gruppe muss daher auch über diese Grenzen hinausgehen. Durch
die Ausweitung der Möglichkeiten der Studierendenvertretung steigt ihre Relevanz
und damit, so hoffen wir, auch die Beteiligung an den demokratischen Prozessen
innerhalb der Studierendenschaft. Dies wiederum fördert die politische Bildung
der Studierenden.
Im Zusammenhang mit der Debatte um das Mandat der Studierendenschaften
verurteilen wir deutlich Angriffe auf deren freie Meinungsbildung und -äußerung
durch staatliche Stellen, Hochschulen und auch studentische Gruppen. Durch die
willkürliche Begrenzung von Mitbestimmungsrechten und Meinungsäußerungen wird
letztlich Demokratie und Selbstbestimmung beschnitten. Insbesondere Rufe
einzelner studentischer Gruppen nach Repressionsmaßnahmen oder gar völliger
Abschaffung der verfassten Studierendenschaften zeigen einen antidemokratischen
Geist, der der Aufgabe demokratischer politischer Bildung entgegen steht.
Demokratisierung der Hochschulen als Voraussetzung
demokratischer Bildung
Wer über demokratische Bildung an Hochschulen redet, muss auch von der
Hochschulstruktur an sich reden. Denn Hochschulen sind keine demokratischen
Orte. Existierende Beteiligungsmöglichkeiten der verschiedenen Statusgruppen
können nicht darüber hinwegtäuschen, dass die Entscheidung letzlich bei einer
der kleinsten Gruppen jeder Hochschule, der Professor:innenschaft, liegt. Grund
dafür ist die Kopplung der Wissenschaftsfreiheit nach Artikel 5 GG an diese
Gruppe, obwohl ihr der Großteil der Wissenschaftler:innen nicht angehört. Dieses
Verständnis ist das Überbleibsel der Ordinarienuniversität, die allgemeinhin als
in den 1970er Jahren (in Westdeutschland) abgeschafft gilt.
Wir wollen akademische Freiheit weiter, demokratischer verstehen, nämlich als
Selbstbestimmung der Hochschulen über sich selbst, durch all ihre Mitglieder.
Die Gruppen der Hochschule sind dabei von verschiedenen Entscheidungen
unterschiedlich stark betroffen. Das soll sich auch in den Entscheidungsgremien
widerspiegeln. Bei jedem Thema soll/en die Gruppe/n, die am unmittelbarsten
betroffen ist/sind, auch maßgeblich für die Entscheidung sein. Für Studierende
bedeutet das, in allen Gremien, die sie betreffen - und diese gehen weit über
Studienkommissionen hinaus - nennenswert beteiligt zu sein. In den Gremien, die
sie am stärksten betreffen, müssen sie die größte Gruppe stellen.
Begründung
Ergibt sich aus dem Antrag, weiteres gerne mündlich. Fragen können gerne auch
vorab gestellt werden.