Veranstaltung: | 66. Mitgliederversammlung, digital |
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Tagesordnungspunkt: | 10. Inhaltliche Anträge |
Status: | Beschluss |
Beschluss durch: | Vorstand |
Beschlossen am: | 06.03.2021 |
Basierend auf: | I-A2: Onlineprüfungen: Datenschutz und Kompetenzorientierung verbinden |
Onlineprüfungen: Datenschutz und Kompetenzorientierung verbinden
Beschlusstext
1. Prüfungswandel während Pandemiezeiten
Durch die aktuelle Covid-19 Pandemie ist gibt es schon seit Beginn im März 2020
Probleme bei der Durchführung von Prüfungen. Über die Sommermonate war es mit
gutem Hygienekonzept und niedrigen Fallzahlen möglich Präsenzprüfungen
durchzuführen. Die Prüfungsphase des Wintersemesters 20/21 sieht anders aus. Sie
findet zumindest teilweise unter gesetzlichen Einschränkungen und einem erhöhten
Infektionsrisiko statt.
Die Durchführung von Präsenzprüfungen bei hohen Fallzahlen und einschränkenden
Schutzverordnungen sind zutiefst unverantwortlich gegenüber allen Beteiligten,
sowie der Gesellschaft.
Es war durchaus abzusehen, dass für diese Prüfungsphase andere
Prüfungsformate notwendig sein werden. Hier wurde sich nicht früh genug
Gedanken gemacht und von den Ländern nicht genügend finanzielle Mittel für
die hochschuldidaktische Entwicklung neuer Prüfungsformate zur Verfügung
gestellt.
2. Online-Prüfungen
2.1 Prüfungsbedingungen
Spätestens jetzt also müssen Grundlagen für Online-Prüfungen geschaffen
werden - kurzfristig, aber auch langfristig. Denn mit Onlineprüfungen wird im
Idealfall ein weiteres Angebot zur Wahrnehmung von Prüfungen geschaffen, eines,
das sich vom physischen Hochschulraum emanzipiert und somit auch hinsichtlich
der Mobilität, z.B. (endenden) Aufenthalten VISAabhängiger Studierender, und
individuellen Faktoren wie der Prüfungsangst, Lösungen präsentiert. Dies
sollte als Angebot insofern geschaffen werden, dass Studierende ein Recht auf
Prüfung in Präsenz behalten. Darüber hinaus müssen Regelungen der Online-
Prüfungen mögliche technischen Störungen beachten. Diese dürfen über ihr
Aufkommen hinaus keine Nachteile für die Prüflinge ergeben, sondern müssen
angemessen ausgeglichen werden können (z. B. neuer Prüfungstermin oder mehr
Prüfungszeit). Daher sollten Prüfungen auch so gestaltet werden, dass eine
Störung nicht zum Verlust der ganzen bisherigen Prüfungsleistung führt und
Prüfer*innen keine nachträglichen Änderungen der Prüfung vornehmen können
(Datensicherheit).
Insgesamt sollten die Regelungen für Online-Prüfungen nicht derartig gestaltet
werden, dass Closed Book Formate gefördert und Open Book Formate erschwert
werden. Ganz im Gegenteil sollten Ressourcen eher in die didaktische
Weiterentwicklung statt der Aufrechterhaltung des status quo fließen.
Bei Onlineprüfungen (insbesondere Klausuren im Closed Book Format) erkennen wir
weiterhin eine besondere Belastung durch einen Generalverdacht gegenüber den
Studierenden und davon beeinflussten, nämlich umso strengeren
Authentifizierungsmaßnahmen (Identitätsprüfung, Klausurbedingung bzw.
digitale Isolation der Prüflinge). Den daraus entstehenden Schub für
sogenannte Aufsichtsprüfungen (Proctoring) betrachten wir mit Besorgnis, denn
es ist zu erwarten, dass dabei rechtliche Grenzen tangiert oder überschritten
werden. Grundsätzlich sollte gelten, dass Online-Prüfungen (1) den
Persönlichkeitsschutz und die Privatsphäre der Betroffenen nicht bzw. nicht
über das für Prüfungen übliche notwendige Maß einschränkt (z. B. keine
Prüfungsaufzeichung, keine Speicherung ID-relevanter Daten, keine ausufernde
Analyse des Prüfungsverhaltens inkl. Eye-Tracking) und eine angemessene
Verhältnismäßigkeit wahrt (z.B. eine Vergleichbarkeit der
Identitätsfeststellung mit der Präsenzsituation), (2) geltende
Datenschutzbestimmungen nicht verletzen und (3) so barrierefrei wie möglich
gestaltet werden (z. B. Recht auf zuvorigen Techniktest, Adaption von
Nachteilsausgleichen). In diesen Diskurs sind Studierendenvertretungen so früh
wie möglich zu involvieren statt, dass unbeteiligt z. B. Proctoring-
Pilotprojekte beginnen.
Besonders aktuell sei darauf hingewiesen, dass sowohl das Recht auf Prüfung als
auch die Gesundheit der Studierenden und ihrer Angehörigen zu beachten und
gegenüber der Lehrfreiheit zu priorisieren ist. Daher müssen unter pandemischen
Bedingungen so viele Prüfungen wie möglich ohne Präsenznotwenigkeit stattfinden.
Alle Prüfungen, die dennoch in Präsenz stattfinden sollen, sollen gegenüber den
Studierenden angemessen begründet werden (z. B. Prüfungen im Labor).
Infolgedessen sollen die Hochschulen darauf achten, dass von Präsenzprüfungen
betroffene Studierende nicht am gleichen Tag online geprüft werden, um
Kollisionen oder Abhängigkeit vom Campus zu vermeiden. Diesbezüglich gilt
aktuell auch, dass die Hochschulen intern überprüfen sollten, wie viele an
Prüfungen Teilnehmende zum Prüfungsort reisen und wie sehr dadurch der Verkehr
am Campus belastet/gefährdet wird.
Schließlich sollen die Hochschulen ihre Webpräsenzen über Regelungen hinaus
so gestalten, dass Studierende sich gut über ihre (Prüfungs-)Rechte
informieren können.
2.2 Nachteilsausgleich
Damit Studierende auch am digitalen Prüfungsablauf ohne Einschränkungen
teilnehmen können, muss der Nachteilsausgleich an die Rahmenbedingungen von
Online-Prüfungssituationen angepasst werden. Einerseits soll der
Nachteilsausgleich die neuen Prüfungsmodalitäten berücksichtigen, die durch
digitale Formate zustande kommen, wie zum Beispiel auf Studierende Rücksicht
nehmen, die am Computer nur eingeschränkt arbeiten können, beispielsweise beim
Bedienen der Computer-Tastatur. Auch technische Probleme sowie
Unverfügbarkeiten von technischen Geräten, wie zum Beispiel Webcams,
Mikrofone, Computer oder auch Drucker, dürfen nicht zu Lasten der Studierenden
gehen.
Hier muss der Nachteilsausgleich gewährleisten, dass solche Anliegen beachtet
werden. Allerdings ist es durch die pandemisch bedingte Planungsunsicherheit
gerade für nachteilsausgleichsberechtigte Studierende schwierig, im Voraus zu
planen und eine Prüfung in der Hoffnung auf bessere Bedingungen zu verschieben.
Außerdem besteht so die Gefahr, dass es im Sommersemester zu einem erhöhten
Prüfungsaufkommen kommt. Hier sind individuelle Absprachen und eine
Berücksichtigung der jeweiligen Situation der studentischen Person gefordert.
2.3 Innovative Prüfungsformate
Die Beantragung der Anmeldung von alternativen Prüfungsformaten muss möglich
sein, um Studierenden, die nicht an Präsenzprüfungen teilnehmen können,
gerecht zu werden. Neben der Übersetzung analoger in digitale Klausuren können
auch Hausarbeiten oder mündliche Prüfungen angeboten werden. Hier gilt
allerdings auch, dass die Prüfungen den gleichen Aufwand benötigen müssen wie
in vergangenen Jahren und nicht mehr, um z.B. Täuschungsversuche zu minimieren.
Neben den genannten alternativen Formaten bieten innovative Umsetzungen wie E-
Portfolios (basierend auf im Semester laufenden Feedbackprozessen,
beispielsweise durch Audience Response Tools oder Quizze auf Learning Management
Plattformen), Take-Home-Exams, Open- Book-Klausuren oder Gamification-Ansätze
(game-based assessments) die Chance, Online-Prüfungsszenarien langfristig zu
erweitern. Oftmals ist es der Fall, dass in Prüfungen nur das Ergebnis eines
Lernprozesses abgebildet, wie beispielsweise in Hausarbeiten oder Klausuren.
Lehrende können nicht erkennen, welche Entwicklung die Lernenden während einer
Lehrveranstaltung durchlaufen haben. Durch angeleitete Reflexionen,
beispielsweise im Rahmen eines Portfolios, kann den Studierende ermöglicht
werden, den eigenen Lernfortschritt kritisch zu hinterfragen und sichtbar zu
machen. Durch die Verwendung digitaler Medien kann ein solches E-Portfolio
niedrigschwellig gefüllt werden. Auch Take-Home-Exams oder Open-Book-Klausuren
bieten Studierenden die Chance, sich mit komplexen Problemenstellungen oder
Rechercheaufträgen auseinanderzusetzen, die zu einem nachhaltigen
Kompetenzzuwachs führen. Ebenso wie in der analogen Prüfungssituation, muss es
hochschuldidaktische und technische Unterstützungsangebote für die Lehrenden
geben, um die Sinnhaftigkeit und Relevanz der Prüfung kritisch zu reflektieren
und auf diese Weise langfristig faire, kompetenzorientierte und nachhaltige
Prüfungen zu gestalten.
Falls für die Durchführung der Prüfungen Software benötigt wird, sollten die
Hochschulen auf Open Source Software setzen und sich nicht von
Drittanbieter*innen abhängig machen.
3. Vor- und Nachteile der Prüfungsentwicklungen für weitere
Studienfaktoren
Die Möglichkeiten digital zu prüfen bringen daher nicht nur Probleme. Für die
Zukunft sollte es zum Beispiel weiterhin möglich bleiben mündliche Prüfungen
digital abzunehmen, solang das im Einvernehmen geschieht. Auch für die
Internationalisierung und Mobilität im Studium kann die digitale Durchführung
von Prüfungen neue Möglichkeiten eröffnen und viele Dinge vereinfachen.
Begründung
Da Präsenzprüfungen momentan nicht verantwortungsvoll mit mehreren Leuten
durchführbar sind, sind Onlineprüfungen vom eigenen Schreibtisch aus das Mittel
der Wahl. Der fzs sollte sich als bundesweiter Dachverband dazu positionieren.