Veranstaltung: | 63. Mitgliederversammlung |
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Tagesordnungspunkt: | 7. Inhaltliche Anträge |
Eingereicht durch: | Ausschuss Internationales |
Status: | Eingereicht |
Eingereicht: | 27.01.2020, 18:34 |
I-A5: Quo vadis Europäische Universität?
Antragstext
Der französische Präsident Emmanuel Macron forderte in seiner Sorbonne Rede im
September 2017 die Einrichtung von Europäischen Universitäten bis zum Jahr
2024. Schon im Dezember 2017 wurde diese Forderung vom Europäischen Rat
aufgegriffen und beschlossen. Im Rahmen der Erasmus+ Programme 2019 und 2020
wurden zwei Ausschreibungsrunden “Europäische Hochschule” durchgeführt. In
der ersten, deren Bewerbungsschluss am 28. Februar 2019 lag, wurden 17
Universitätsnetzwerke ausgewählt. Die Frist für die zweite Pilotausschreibung
endete am 26. Februar 2020.
Während über die Ergebnisse der zweiten Pilotausschreibung noch nichts gesagt
werden kann, sind in 15 von 17, der in der ersten Runde ausgewählten, European
University Alliances (EUA) deutsche Hochschulen beteiligt. Diese sind die FU
Berlin, Hertie School, Uni Bremen, TU Darmstadt, Hochschule für Bildende
Künste Dresden, Uni Freiburg, TU Hamburg, Uni Heidelberg, das Karlsruher
Institut für Technologie, CAU Kiel, Uni Leipzig, Uni Mainz, LMU München, Uni
Potsdam und Uni Tübingen. Insgesamt sind europaweit 114 Hochschulen [1] an den
17 EUA beteiligt. Durchschnittlich bestehen die Netzwerke jeweils also aus 6,7
Hochschulen. Eingegangen waren für die erste Bewerbungsrunde insgesamt 54
Bewerbungen.
Finanziert werden die EUAs aus dem Erasmus+-Budget. Das Fördervolumen für die
Pilotausschreibungen liegt bei insgesamt 85 Mio. € bzw. 5 Mio. € pro
ausgewähltem Netzwerk bis 2023. Diese Gelder werden von den Netzwerken fast
ausschließlich für die Deckung der Reisekosten ihrer Mitglieder zur Vernetzung
untereinander genutzt. Zusätzlich hat der Deutsche Akademische Auslandsdienst
(DAAD) entschieden die Netzwerke mit deutscher Beteiligung im Rahmen eines
nationalen Begleitprogramms mit insgesamt 28 Mio. € aus den Mitteln des
Bundesministeriums für Bildung und Forschung zu fördern. Auch Frankreich, das
mit 16 Hochschulen an den Netzwerken beteiligt ist, stellt mit einem nationalen
Begleitprogramm zusätzliche finanzielle Mittel bereit.
Studentische Beteiligung
In der praktischen Umsetzung der EUA ergeben sich für uns als Studierende
mehrere Probleme. Vor allem die Beteiligung an den Entscheidungsprozessen
innerhalb der Netzwerke ist bisher unzureichend geregelt. Bei einem
Auftakttreffen aller EUAs am 7. November in Brüssel haben 19 Studierende an
einer Umfrage der European Students’ Union teilgenommen. Dabei haben sich in
etwa gleicher Verteilung drei verschiedene Beteiligungsformate
herauskristallisiert: Ein Teil der befragten Studierenden wurde bereits in der
Bewerbungsphase mit einbezogen, ein zweiter erst nach erfolgreicher Bewerbung
und der dritte wurde erst direkt vor dem Auftakttreffen in Brüssel aufgefordert
zu partizipieren. Zudem gibt es nach wie vor Studierende - die in der Umfrage
nicht abgebildet sind, da sie auch zum Auftakttreffen noch nicht einbezogen
worden sind.
Für die weitere Entwicklung der Europäischen Hochschulen ist es also integral,
dass die studentische Beteiligung gestärkt wird. Dabei muss nicht nur
gewährleistet werden, dass Studierende wirklichen Einfluss auf Entscheidungen
der EUAs nehmen können, sondern auch, dass die studentischen
Repräsentant*innen demokratisch durch die jeweiligen Studierendenschaften
ausgewählt werden und nicht bspw. von den Rektoraten delegiert werden.
Weiterhin müssen die Student Councils der EUA (SC) mindestens Sperrminoritäten
für die wichtigsten, die Studierenden betreffenden Entscheidungen haben, sich
regelmäßig zu Sitzungen physisch treffen können und Delegierte in die
höchsten Entscheidungsgremien der EUA entsenden können. Perspektivisch müssen
25% der Sitze aller Entscheidungsgremien jeder EUA mit Studierenden besetzt
werden.
50% Mobilität aller Studierenden
Ein perspektivisches Ziel der EUA nach Maßgabe der EU-Kommission ist es 50%
Mobilität aller Studierenden der jeweiligen EUA zu erreichen. Das ist ein Ziel,
das wir ausdrücklich unterstützen. Problematisch ist allerdings, dass sowohl
physische als auch virtuelle Mobilität zur Zielerreichung genügen soll. Wir
fordern, dass virtuelle Mobilität zur Begleitung und Unterstützung physischer
Mobilität verstanden wird, nicht als Äquivalent oder Alternative zu dieser.
Die Zielsetzung sollte entsprechend eine 50%-Quote physischer Mobilität sein.
Nichts desto trotz muss das Erasmus-Programm zentrales Element der europäischen
Bildungsmobilität bleiben und die Mobilität im Rahmen der EUA stattdessen ein
intensiviertes Begleitprogramm darstellt.
Um diese Mobilitätsquoten erreichen zu können müssen nach 2023 deswegen die
Fördervolumen erheblich ausgeweitet werden. Die bisher bereitgestellten Mittel
reichen nur, um die Reisekosten der Entscheidungsträger*innen zu decken und
ausgewählte, kleinere Projekte umzusetzen. Durch die nationalen
Begleitprogramme kann es dazu kommen, dass die unterschiedlichen Netzwerke
unterschiedliche Förderungen bekommen und es so zu regionalen Asymmetrien
kommen kann. Ein solidarisches Prinzip wäre es stattdessen die nationalen
Begleitprogramme auf europäischer Ebene zu bündeln und Gelder nach
sachbezogenen Kriterien an die EUAs auszuschütten und sie nicht nur nach
nationaler Partizipation zu verteilen.
Breite statt Elite
Die EUAs bieten die Chance kein Leuchtturmprojekt zu werden und anstatt dessen
einen in der Breite verankerten neuen Hochschultyp zu kreieren. Aus der
Erfahrung vergleichbarer Förderprojekte zeigt sich aber leider auch, dass in
großen Teilen der Hochschulgovernance der Wunsch nach Spitzenförderung und
Exzellenz weit verbreitet ist. Aus unserer Tradition als fzs setzen wir uns
nicht für Exzellenzförderung sondern für eine breite Beteiligung
verschiedenster Hochschulen in den EUAs ein. Konkret bedeutet das, dass wir
neben einer gleichmäßigen regionalen Verteilung auch für eine diverse
Beteiligung verschiedener Hochschultypen plädieren. Gerade osteuropäische
Hochschulen sollten stärker in den Netzwerken berücksichtigt werden, um
regionale Balance zu garantieren. Mit Blick auf die Liste der deutschen
Hochschulen die an EUA beteiligt sind fällt aber auch auf, dass fast nur die
sogenannten “großen, forschungsstarken und medizinführenden
Universitäten” sowie die Technischen Universitäten beteiligt sind; einzige
Ausnahmen sind bisher die Hochschule für Bildende Künste Dresden und die
private Hertie School. Um Diversität bezüglich der Hochschultypen stärker zu
forcieren, müssen insbesondere mehr Fachhochschulen, Musik- und
Kunsthochschulen sowie kleinere Universitäten eingebunden werden.
Auch bei der Ausgestaltung von Kooperationsstudierengängen innerhalb einer EUA
muss gewährleistet werden, dass diese vielen Studierenden offen stehen und
nicht nur aus “Elite”-Studiengängen bzw. Masterprogrammen bestehen.
Zusätzlich sollte der Anspruch der EUA student centred learning zu entwickeln
unbedingt umgesetzt werden. Dabei muss darauf geachtet werden innovative
Lernkonzepte zu entwickeln. Die besten und erfolgreichsten Konzepte sollten
zwischen den verschiedenen EUA, aber auch innerhalb der Netzwerke sowie der
einzelnen Hochschulen geteilt werden und in der Breite zum Einsatz kommen.
Qualitätsmanagement
Um das zu gewährleisten begrüßen wir den Vorstoß innerhalb der Alliances die
Qualitätsmanagementsysteme (QMS) anzugleichen. Dabei muss aber sichergestellt
werden, dass die Standards an den höchsten bestehenden angeglichen werden und
so keine Standards verwässert oder verschlechtert werden. Das bedeutet
natürlich, dass Studierenden immer bei QMS-Prozessen beteiligt sind.
Wünschenswert wäre es auch die Gelegenheit zu nutzen, um Nachhaltigkeit und
den Kampf gegen den Klimawandel nach Schweizer Vorbild in die QMS zu
integrieren.
Besondere Priorität sollte darauf liegen, Unterschiede im Hochschulzugang
innerhalb der EUA abzuschaffen: Bewerbungen auf Studiengänge, Anerkennung von
Abschlusszeugnissen und die soziale Dimension (Zugang zu Wohnheimen,
Semesterbeiträge, finanzielle Unterstützung) sollten nach dem Prinzip des
höchsten Standards angeglichen werden.
Im Rahmen des Qualitätsmanagements werden wir uns dafür einsetzen, dass die
EUA nicht nur die Mobilität fördern, sondern auch die Qualität des Studiums
spürbar verbessern. Das Programm muss europaweite Standards für die
Ausgestaltung von Modulen setzen. Diese sollten mit einheitlichen Notensystem
mindestens innerhalb der jeweiligen EUA, idealerweise aber europaweit
abgeschlossen werden können. Die Studierenden sollten übergreifend, über die
verschiedenen Hochschulen eine große Flexibilität in der Auswahl ihrer Module
genießen können. Nicht bestandene Prüfungsleistungen müssen an anderen
Standorten oder ortsfern absolviert werden können.
Die Rolle des fzs
Die EUAs stellen für den fzs eine Herausforderung dar, da die entstehenden SC
Studierendenschaften sein werden, die auf einer supranationalen Ebene
existieren. Trotzdem können die EUAs auch eine Chance für die deutschen
Studierendenschaften sein. Der fzs wird seine betroffenen Mitglieder dabei
unterstützen innerhalb der EUA Standards zu setzen, legitime, funktionsfähige
und demokratische Studierendenschaften innerhalb der EUA zu etablieren und sich
über die jeweiligen EUA hinaus untereinander zu vernetzen. Der fzs wird das
Gesamtprojekt aber auch kritisch begleiten und sich in Deutschland aber auch als
Teil von ESU für eine progressive Ausgestaltung der EUA, im Sinne dieses
Dokuments einsetzen. Nach der rapiden Umsetzung des Projekts der Alliances,
bleibt zu hoffen und einzufordern, dass die European University Alliances und
die beteiligten Entscheidungsträgern auf allen Ebenen den selbst-artikulierten
Zielen gerecht werden, die Qualität steigern, neue Formen des Studierens und
Lehrens ermöglichen und sich dabei der Wettbewerblichkeit verwehren.
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[1] Eine Auflistung aller beteiligten Hochschulen findet sich unter:
https://ec.europa.eu/commission/presscorner/api/files/attachment/857832/ANNEX.pd-
f.pdf (abgerufen am 20.01.2020)
Begründung
Antragstext und Begründung fallen zusammen.