Veranstaltung: | Mitgliederversammlung |
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Tagesordnungspunkt: | 10. .10.1 Wahlen: Vorstand |
Eingereicht durch: | Amanda Steinmaus (AStA Duisburg-Essen) |
Status: | Eingereicht |
Eingereicht: | 24.07.2019, 19:41 |
K-V-AS: Amanda Steinmaus
Name
Bewerbungstext
Liebe Leser*innen,
die Wahlbeteiligung: fast überall wird sie als zu niedrig bewertet, fast an jeder Hochschule wird sie diskutiert, fast jede*r hat Ideen, wie sie zu erhöhen wäre. In regelmäßigen Abständen verwenden studentische Gremien Stunden auf die immer gleiche Diskussion. Die Einen sagen, es müssten nur endlich die Online-Wahlen her, dann würde alles besser. Die Anderen meinen, die Student*innen müssten nur gründlicher über die Existenz der selbstverwalteten Student*innenschaft informiert werden, dann würden sie auch wählen gehen und sich vielleicht sogar darüber hinaus einbringen. Vielleicht fehle einfach mal wieder ein ordentlicher hochschulpolitischer Eklat, murmeln Einzelne.
An manchen Standorten ist das Problem weniger ausgeprägt als an anderen. Muss nun also beispielsweise meine Universität, Duisburg-Essen, nach Münster schauen und den dortigen Wahlkampf bestmöglich kopieren, um auch endlich sagenhafte 23% Wahlbeteiligung zu erreichen?
Natürlich gibt es standortspezifische Problemlagen und auch Lösungsansätze, die ein paar Extra-Prozente herausspringen lassen, doch der Kern der Frage nach der Wahlbeteiligung liegt anderswo. Statt die Schuld bei den hochschulpolitisch Aktiven zu suchen, die sich wohl einfach nicht genug um ihre Studis bemüht hätten, lohnt ein Blick auf die Verschulung des Studiums und zugleich die nie tatsächlich erfolgte vollständige Demokratisierung der Hochschule.
Die fehlenden Mittel zur tatsächlichen Mitbestimmung sind auf jeder Ebene der Hochschule sichtbar. In vielen Gremien halten weiterhin Professor*innen die Mehrheit, mit Glück können Student*innen gemeinsam mit den Mitarbeiter*innen aus Technik und Verwaltung sowie den wissenschaftlichen Mitarbeiter*innen etwas erreichen. Zumeist laufen die studentischen Vertreter*innen mit ihren paar Stimmen vor Wände, selbst wenn es um Themen geht, die offensichtlich zuallererst Student*innen betreffen. Wie oft wird diesen wenigen Vertreter*innen zudem herablassend begegnet und ihnen jegliche Kompetenz und jegliches Interesse am Wohlergehen aller Menschen an der Hochschule abgesprochen?
Im Studium selbst ist es um die Mitbestimmung ebenfalls nicht gut bestellt. Wahlfreiheit und Mitspracherecht? Leider nein. Modularisiertes Wissen muss unter Beweis gestellt, Checklisten mit Studien- und Prüfungsleistungen abgearbeitet werden, Vertiefungen in einzelne Bereiche werden oft nur durch ein sogenanntes „Vertiefungsmodul“ ermöglicht – oft ist das nicht mehr als ein schlechter Scherz. Eine grundsätzliche Kritik an diesem Modell erscheint so aussichtslos, dass Student*innen sie meist nicht einmal äußern. Vielmehr noch: eine solche Kritik ist für sie oft unvorstellbar.
Der Begriff „Verschulung“ lässt sich auch darüber hinaus noch mit furchtbarem Leben füllen. In der Schulzeit selbst fällt es nicht so sehr auf, doch wer mit ein paar Jahren Abstand für ein Praktikum an die Institution Schule zurückkehrt, kann einem gewissen Unwohlsein kaum entkommen. Nicht nur der Lernstoff ist weitestgehend vorgegeben (da kann selbst die*der Lehrer*in nicht viel ausrichten), fast jede Handlung der Schüler*innen steht unter Beobachtung und kann jederzeit völlig willkürlich sanktioniert werden. Dabei geht es um Dinge, die angeblich Unruhe verursachen, wie das Öffnen oder Schließen eines Fensters, den immer zu erklärenden und zu erbittenden Gang zur Toilette, das Trinken von Wasser, das wiederholte Schniefen oder Husten oder auch das Kramen in der Tasche. Gleichzeitig kann es auch Schüler*innen mit Segelohren treffen, oder mit tiefem Ausschnitt, oder Brillenträger*innen. Dass Lehrer*innen versuchen, im Klassenraum Ruhe herbeizuführen, um die festgelegten Lehrinhalte vermitteln zu können, mag auf Verständnis stoßen. Jedoch ist die gesamte Atmosphäre geprägt von Anspannung und Furcht vor Willkür. Gemeinsames Festlegen von Regeln oder das Auswählen der Form, in der Inhalte vermittelt werden – was ja keine völlig neuen Ideen wären – gibt es nur in Ausnahmen. Möglichkeiten, die Lehrperson in ihrem Verhalten zu kritisieren oder auch nur an gemeinsam gefasste Regeln zu erinnern, sind realistisch nicht vorhanden.
Leider ist die Situation an den Hochschulen gar nicht so anders.
Was wird denn im Seminar gemeinsam bestimmt? Welche demokratischen Mechanismen gibt es im Kurs? Besteht unsere einzige Freiheit dort darin, ein Referat zu gestalten – also eine Leistung, die danach bewertet wird? Zu Willkür neigenden Dozent*innen kann dort, wo es keine Anwesenheitspflicht gibt, bis zur Prüfung aus dem Weg gegangen werden, zum Nachteil des eigenen Studiums.
Wir müssen uns nicht wundern, dass die Student*innen nach dieser Erfahrung in der Schule, die sich dann an der Hochschule fortsetzt, nicht wählen gehen. Es ist keine demokratische Hochschule, wenn die Student*innen den Dozent*innen und den Professor*innen oftmals einfach ausgeliefert sind und ihr Campusleben nur daraus besteht, sich gegenseitig Tipps zuzustecken, wie sie das System aus Anmeldungs-, Abmeldungs-, Abgabe- und Antragsfristen, Modulen, Bürokratie und gleichzeitiger Willkür durchstehen können. Dieses Problem beheben wir nicht durch besseren Wahlkampf. Die niedrige Wahlbeteiligung ist auch nicht sein einziges Symptom. Ohne weitreichende strukturelle Veränderungen wird es keine Verbesserung geben, egal wie viele Psycholog*innen die Hochschulen noch einstellen, um den Problemen der Student*innen irgendwie gerecht zu werden.
Wir müssen jetzt unseren Fokus darauf legen, darüber zu sprechen, was wir für eine Hochschule haben wollen und was wir unter guter, demokratischer Lehre verstehen. Sofort erreichen können wir die Ziele, die wir uns bereits gesteckt haben und noch stecken werden, vielleicht nicht, aber wenn wir das Problem beim Namen nennen, können wir zumindest in die richtige Richtung steuern. Das müssen wir als fzs weiter und verstärkt versuchen.
Ich möchte dieses Thema und die mit ihm verbundenen Fragestellungen im Vorstand zusammen mit den anderen Vorstandsmitgliedern ebenso wie mit den Verbandsgremien und -aktiven, den Kampagnen und den bislang weniger aktiven Student*innenschaften bearbeiten und auch unseren Bündnispartner*innen gut einbinden. Demokratische Hochschule, gute Lehre, Hochschulzugang für von Diskriminierung Betroffene sowie Abbau von finanziellen und strukturellen Hürden sind einige der Themen, die mir wichtig sind. Diese Themen und die von uns vorgeschlagenen Lösungen dürfen wir dann nicht nur auf die Hochschulen beziehen, sondern wir müssen diese auf unseren Verband übertragen.
Mein besonderer Dank gilt all jenen, die mich in meiner Kandidatur bestärkt haben, sowohl in Duisburg-Essen als auch im Verband. Insbesondere möchte ich Leonie, Jacob und Dulguun danken, mit denen ich das Privileg hatte, im Vorhinein gemeinsame Perspektiven für den Verband zu erarbeiten.
Kurze Biographie
Hochschulpolitische Kurzbiografie:
Seit August 2018: Vorsitzende, AStA Duisburg-Essen
Januar bis August 2018: Referentin für Hochschulpolitik, AStA Duisburg-Essen
Oktober 2016 bis März 2017: Mitglied des Senats, Universität Duisburg-Essen
September 2016 bis Januar 2017: Referentin für Sozialpolitik, AStA Duisburg-Essen
Dezember 2015 bis September 2016: Referentin für Kultur, AStA Duisburg-Essen
Langjährige Erfahrungen in den Ausschüssen des Studierendenparlaments, insbesondere im Härtefallausschuss, aber auch im Haushaltsausschuss, Wahlprüfungsausschuss und Satzungsausschuss.
Langjährige Erfahrung in den Ausschüssen des fzs, insbesondere im Ausschuss der Student*innenschaften und im Ausschuss Verfasste Student*innenschaft/Politisches Mandat, aber auch im Ausschuss Internationales und im Arbeitskreis bzw. Ausschuss Politische Bildung.
Weitere überregionale Erfahrungen: Mitarbeit beim Landes-ASten-Treffen NRW und im studentischen Board des Universitätsnetzwerks Aurora, Besuch eines Vernetzungstreffens des studentischen Akkreditierungspools und eines Landesstudierendenvertretungsvernetzungstreffens u.ä., ab 2020 Mitglied im Kuratorium des DAADs.
Studium:
Seit Oktober 2015: Lehramt GyGe, Englisch und Geschichte, Universität Duisburg-Essen
August bis Dezember 2014: Auslandssemester, Columbia College, Columbia, South Carolina
Oktober 2012 bis 2015: Lehramt GyGe, Englisch und Sozialwissenschaften, TU Dortmund
Oktober 2011 bis 2012: Raumplanung, TU Dortmund
Kontakt: amanda.steinmaus@posteo.de